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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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weniger in Anspruch genommen zu sein. Ihn beschäftigte, mehr noch, ihn erregte die Frage: Was, wenn da tatsächlich ein Mann im Heck des Lasters gestanden und Module ausgestreut hat? Dann, so folgerte er, hat er nicht Spuren hinterlassen, sondern Spuren gesät! Und dann ist vielleicht alles, was die Soldaten gefunden haben, gar nicht in der Eile des Aufbruchs zurückgelassen, sondern mit Bedacht ausgelegt worden! Ein geparkter Laster weckt kein Interesse. Also muß ich ihn interessant machen, und das erreiche ich, indem ich zum Beispiel sein Heck mit kleinen grauen und schwarzen Bauteilen garniere!
Und wenn, so folgerte er weiter, das alles Absicht gewesen ist, dann hat es nur einen einzigen Sinn gehabt: Irreführung. Und wenn das zutrifft, wenn dieses ausgelegte Arsenal den Entdeckern signalisieren soll, die Männer seien mit ihrer Beute draußen, also außerhalb der Stadt, dann liegt doch der Schluß nahe, daß das Gegenteil zutrifft, daß sie drinnen sind, immer noch in der Stadt! Das ist es! Zumindest kann es so sein.
Er gab wieder mehr Gas, wollte nun schnell den Laster sehen und mit dem Polizeichef sprechen. Bis Los Órganos fehlten fünf Kilometer. So blieb ihm noch Zeit, sich weiter mit seiner Theorie zu beschäftigen, die ihm, je länger er über sie nachdachte, um so plausibler erschien, und die dann, kurz bevor er die Ortschaft erreichte, noch einmal Unterstützung erfuhr aus der jüngsten Erinnerung. Natürlich! dachte er, das ist ihr Prinzip, ist ihre Handschrift: irreführende Spuren legen! Genau das haben sie auch in der vergangenen Nacht getan, als sie ihr Schiff in Marsch setzten! Sogar der Kunststoff-Skipper ist ihnen eingefallen, und was sie erreichen wollten, haben sie erreicht: Bis zur Explosion an der Lagune haben wir den falschen Fluchtweg vor Augen gehabt, waren derart mit der Bereitstellung von Flugzeug und Hubschrauber und halbnacktem Personal und mit der Räumung eines kilometerlangen Küstenstreifens beschäftigt, daß uns der Gedanke an eine großangelegte Täuschung gar nicht kam. Sie aber gewannen Zeit, konnten in aller Ruhe an Land gehen!
Er erreichte den Parkplatz, sah die vielen Fahrzeuge und Soldaten, stellte den Jeep ab und fragte sich durch bis zum Polizeichef, der neben einem Wagen der Radio Patrulla stand und telefonierte. Er wollte ihn nicht unterbrechen, und so ging er zu dem Laster, dem einzigen, der nicht nach Militär aussah. Er entdeckte einen Polizeibeamten, den er kannte, begrüßte ihn.
»Deutlicher geht’s gar nicht«, sagte der Mann. Wieland nickte. Er wollte seine Theorie erst mal dem Chef vortragen, fragte daher nur: »Fingerabdrücke?«
»Haufenweise, aber daß es die richtigen sind, wage ich zu bezweifeln. Papiere gibt es übrigens auch, lautend auf den Namen Raúl Vergara, und ›Vergara‹ stand auch auf dem Laster, übermalt zwar, aber wir haben’s trotzdem rausgekriegt.«
Der Polizeichef kam auf sie zu. »Ich hatte eben ein interessantes Telefongespräch«, sagte er. »Ein paar Soldaten haben im fraccionamiento Playa del Guitarrón ein Haus ausfindig gemacht, in dem die Gesuchten sich möglicherweise aufgehalten haben. Die Nachbarin, eine alte Frau, hat von ein paar Männern erzählt, die es gemietet hatten. Erst war nur einer da, und dann wurden es fünf oder sechs. Das besagt noch nicht viel, aber fünf oder sechs Männer ohne Frauen und Kinder, alle so um die dreißig, vierzig Jahre alt, geben für uns mehr her als eine fünf- oder sechsköpfige Familie. Interessant sind vor allem ein paar Zeitangaben. Das Haus wurde vor acht Wochen gemietet. Es war während der letzten Tage zwar beleuchtet, aber aller Wahrscheinlichkeit nach unbewohnt. In der vergangenen Nacht sind die Männer wieder dagewesen; jedenfalls hat sie Autos gehört.«
»Warum ist die Frau nicht geflüchtet?« fragte Paul Wieland.
»Sie ist gelähmt und wollte sich den Strapazen nicht aussetzen. Übrigens: Zu dem Nachbarhaus gehören auch ein Bootsschuppen und ein Boot, und im Garten haben die Männer Reifenspuren von einem Laster entdeckt. Wir werden sie mit den Profilabdrücken dieses Fahrzeugs hier vergleichen.«
»Gibt es Personenbeschreibungen?«
»Nur eine, die etwas genauer ist. Die anderen sind sehr allgemein.«
»Und die genaue?«
»Die muchacha der alten Frau hat einen der Männer aus der Nähe gesehen, vermutlich sogar ein paarmal ganz besonders nah, wie die Alte sich ausdrückte. Dieses Mädchen ist auch nicht geflohen. Sie wollte bei ihrer kranken señora

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