1986 Das Gift (SM)
gebeten, mich mitzunehmen!«
»Wer weiß, wie es jetzt auf dem Flughafen aussieht!« »Und du willst wirklich hierbleiben?«
»Ja.«
»Ich nicht!« Christine fuhr fort, ihren Koffer zu packen. »Wohin willst du denn?« fragte Petra.
»Irgendwohin. Nur weg von hier! Auf der Isla Mujeres oder auf Cozumel kann man auch Ferien machen. Ich brauche ja nicht gleich nach Deutschland zurückzufliegen. Aber wie komme ich aus dieser verdammten Stadt raus?«
»Ich werde Paul fragen.«
»Könnte er mich nicht …? Und wenn’s bloß bis nach Chilpancingo wäre!«
»Er hat bestimmt keine Zeit. Um sieben muß er zu einer Versammlung der Hoteliers. Er ist jetzt dabei, sie zusammenzutrommeln. Per Telefon. Weißt du, ob noch mehr Gäste abreisen wollen?«
»Mindestens dreißig.«
»Frag die doch mal! Bestimmt hat noch jemand Platz in seinem Auto. Komm, wir versuchen es!«
Christine schloß den Koffer, und sie gingen hinunter. Immer noch befand sich ein großer Teil der Gäste im Foyer.
Petra wandte sich an Johann Wieland, den sie an der Rezeption entdeckt hatte: »Wüßten Sie jemanden, der meine Freundin mitnimmt?«
»Und Sie?« fragte der alte Mann.
»Ich bleibe hier.«
»Warten Sie! Im Zimmer 25 ist ein deutsches Ehepaar aus der Hauptstadt. Sie sind gerade nach oben gegangen, holen nur ihr Gepäck. Ich werde … da kommen sie! Herr Kröger!«
»Was gibt es, Herr Wieland?«
»Hier ist eine junge Dame aus Deutschland, die weg möchte. Wäre es vielleicht möglich, daß Sie sie mitnehmen?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Oh, danke!« Christine gab den beiden die Hand. Schon wenige Minuten später stand sie mit Petra auf dem Parkplatz. Frau Kröger war zur Rezeption gegangen, um die Rechnung zu bezahlen. Ihr Mann verstaute das Gepäck im Kofferraum, und so hatten die Freundinnen noch etwas Zeit für den Abschied.
»Willst du nicht doch lieber mitkommen? Da ist noch ein Platz im Wagen. Ich hab’ Angst um dich. Was, wenn es nun wirklich zu der angedrohten Katastrophe kommt?«
»Paul schätzt die Chancen dafür auf eins zu zehn.«
»Eins zu zehn finde ich immer noch ziemlich beunruhigend. Petra, bitte!«
»Mir wird schon nichts passieren!«
»Und deine Eltern? Was sag’ ich ihnen, wenn ich vor dir drüben bin?«
»Du rufst sie an und beruhigst sie. Ich versuche nachher, mit ihnen zu telefonieren, bin aber nicht sicher, daß es klappt. Vorhin hörte ich, Ferngespräche kämen nicht durch. Ich versuch’s trotzdem. Die böse Nachricht geht bestimmt schon um die ganze Welt.«
»Und wie soll ich deine Eltern beruhigen?«
»Sag ihnen die Wahrheit: daß ich einen Mann kennengelernt habe, den ich nicht allein lassen will.«
»Mein Gott, Petra, was soll ich ihnen, ganz konkret, sagen? Ich meine, wie du dich retten willst, falls es ernst wird.«
Frau Kröger kam, und das war, da ihr Mann schon am Steuer saß, das Signal zum Aufbruch.
»Sag ihnen, sobald es Anzeichen dafür gibt, daß es wirklich gefährlich wird, sind wir mit dem Auto in zwanzig Minuten aus der Stadt heraus.«
»Und wenn die Zeit nicht ausreicht?«
»Dioxinfässer sind keine Atombomben! Verlaß dich drauf, mir passiert nichts!«
Sie umarmten sich. Christine stieg hinten in den Wagen. Petra trat an das geöffnete Vorderfenster, sagte zu Herrn Kröger: »Die Straßen sind ziemlich überfüllt. Wir mußten vorhin den Wagen stehenlassen. Aber im Radio gibt es laufend Hinweise, wie man am besten aus der Stadt rauskommt. Und wenn …«
»Wir sind«, unterbrach Herr Kröger den Redefluß, »oft in Acapulco und kennen hier jeden Winkel. Sie brauchen sich um Ihre Freundin keine Sorgen zu machen. Alles Gute für Sie!« »Danke. Gute Fahrt!«
Der Wagen startete, und als Petra ihm nun nachwinkte, hatte sie Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und ging zurück ins Haus, stieg die Treppe hinauf, klopfte an Paul Wielands Tür.
»Que entre!«
Sie trat ein. »Ich bin’s. Wie weit bist du gekommen?«
»Vierzehn Kollegen habe ich erreicht, und jeder von ihnen hat mir ein paar Anrufe abgenommen. Ich schätze, es werden vierzig bis fünfzig Leute.«
»Wo trefft ihr euch eigentlich?«
»Im REINA DEL PACIFICO.«
»Gerade eben ist Christine abgereist.«
Paul Wieland zündete zwei Zigaretten an, gab Petra eine.
»Ich bitte dich noch einmal«, sagte er, »pack auch du deine Sachen zusammen und bring dich in Sicherheit! Manolo kann dich zu seinen Eltern nach Puerto del Gallo fahren. Das ist ein kleiner Ort in der Sierra. Weit weg, und darum würde
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