1988 VX (SM)
feldmarschmäßige Ausrüstung der Männer zu ergänzen. Der Abmarsch war dann auf 14 Uhr festgesetzt worden. Die Einberufenen würden sich dem Bataillon anschließen, das bereits am Vortage ausgerückt war und irgendwo südlich von Rendsburg in einem Verfügungsraum lag. Doch der VW-Bus, mit dem die Männer transportiert werden sollten, war nicht eingetroffen; er hatte, von Neumünster kommend, auf der A7 einen Unfall gehabt. Daraufhin war einer der Soldaten ins Orakeln gekommen, hatte gesagt: »Was so schlecht anfängt, endet auch schlecht.«
Doch das Manöver war dann gut verlaufen. Ein anderes Fahrzeug hatte sie an ihren Einsatzort gebracht, und das Kriegsspiel hatte begonnen. Sie waren vom Feind, einer von Nordosten her angreifenden niedersächsischen Brigade, nach Westen in die Verteidigung zurückgedrängt worden, hatten drei Tage später den Gegenangriff gestartet, durch den er, Paul Stapelfeld, und seine Leute nach Ostholstein gelangt waren. Nun war die Schlacht geschlagen. Der Rundfunk hatte gemeldet, daß sowohl das Militär als auch die Zivilbevölkerung mit dem Verlauf des Manövers zufrieden seien. Die Schäden, so hatte es geheißen, seien wesentlich niedriger ausgefallen als sonst. Es hatte viel Lob für die Truppe gegeben, und er selbst hatte sich gefreut, am nächsten Tag nach Kiel zurückkehren zu können. Ja, und dann traf, ihm wenig willkommen, die Meldung ein, daß es noch die OPERATION APPENDIX zu überstehen gelte. Zwar hätte er unter Angabe triftiger Gründe den zusätzlichen Dienst verweigern können, aber er war nun mal Reservist, und das hieß: bereit sein. Es war gemunkelt worden, die Ausweitung des Manövers habe mit dem Diebstahl der beiden Giftgasgranaten aus dem Wasloher Depot zu tun.
Er wälzte sich herum. Sein privates Programm war also mal wieder durchkreuzt worden. Die Repetition des schleswig-holsteinischen Nachbarrechts, die für den Donnerstagnachmittag vorgesehen war, und auch der Abend mit Monika würden in die Binsen gehen. Ist nicht zu ändern, dachte er und zog halb im Ernst und halb im Scherz den Schluß: Wenn die Juristerei und Monika und das Vaterland gleichzeitig rufen, hat das Vaterland nun mal den Vorrang.
Gegen halb vier schlief er endlich ein.
Nur eine Armlänge hinter der ersten Baumreihe lagen Zayma, Robert und Pierre, vor sich die Hecks der beiden Lastwagen. Sie hatten den hünenhaften Offizier beobachtet, der aus einem der Fahrzeuge gestiegen war, hatten seinen Weg durchs Lager für einen Kontrollgang gehalten und sich dazu beglückwünscht, daß die entscheidende Phase ihrer nächtlichen Aktion noch nicht angelaufen war. Da zum Anbringen der Minen nur die LKWs in Frage kamen, hatten sie sich in deren unmittelbarer Nähe postiert, waren sogar schon auf dem Sprung gewesen, aber dann hatte es etwa fünfzehn Meter rechts von ihnen ein Geräusch gegeben. Gleich darauf war der Mann ins Gras gesprungen, hatte sich ihnen genähert, ganz langsam, und immer wenn er aus dem Schatten eines Fahrzeugs in das vom Zeltplatz herüberscheinende Licht getreten war, hatte es ausgesehen, als schritte da ein Riese durchs Lager, so groß war er ihnen aus ihrer liegenden Haltung heraus erschienen.
»Jetzt hat er sich wohl wieder hingehauen«, flüsterte Robert.
»Wäre fast schiefgegangen«, sagte Pierre, aber Zayma meinte: »Er hat nicht unter die Wagen geleuchtet, hätte
uns also wahrscheinlich nicht gesehen.«
»Vielleicht aber gehört«, antwortete Pierre. Er und Zayma hatten je eine der diskusförmigen Minen vor sich liegen. Die Magnetringe zeigten nach oben; die seitlich angebrachten Uhren waren auf 10.30 Uhr eingestellt. Erst in sieben Stunden also würde das fast lautlos arbeitende Zählwerk dafür sorgen, daß die Ventile sich öffneten. Dann würden die Laster längst zum offiziellen Manöverabschluß in der Panzerschule von Putlos stehen, inmitten einer gewaltigen Fahrzeugansammlung. Und mehrere tausend Soldaten würden dort versammelt sein: Deutsche, Engländer, Amerikaner. Die Nachforschungen der VITANOVA bei dem Bauern, auf dessen Land die dritte Batterie kampierte, hatten ergeben, daß der Platz um fünf Uhr morgens geräumt werden sollte. Vom Plöner See bis nach Putlos war es eine Strecke von etwa achtzig Kilometern, und die war selbst von einem nur langsam fahrenden Konvoi in zwei bis drei Stunden zu schaffen. Aber sie hatten auch erfahren, daß das Sammeln der Truppenteile, die aus allen Richtungen eintreffen würden, erst gegen neun Uhr abgeschlossen sein
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