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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Überhaupt, wie oft in all den Jahren hatte sie ihn abbringen wollen von seinem Plan, gegen das Depot vorzugehen! Wie oft waren sein blinder Eifer und ihre nüchterne Einschätzung der Lage aufeinandergetroffen! Jetzt hatte es sich erwiesen, daß ihre Meinung die richtige gewesen war, und was tat sie? Statt aufzutrumpfen, half sie ihm, so gut sie nur konnte. Und nicht nur das. Jedesmal, wenn er anfing, über seinen sträflichen Irrtum zu sprechen, fuhr sie ihm dazwischen und sagte, er habe etwas Großes tun wollen. Daß daraus ein solches Unglück wurde, sei nicht seine Schuld.
Er winkte den Kellner heran, fragte, ob er telefonieren dürfe.
»Naturalmente«, lautete die Antwort.
»Con Alemania?« fragte er dann.
»Alemania? Mama mia!«
»Cinco minutos«, sagte er. Fünf Minuten. Und legte zwei Zwanzig-Dollar-Scheine auf den Tisch.
»Bien. Gracias.«
Es war ein winziger Verschlag, an dessen Rückwand das Telefon hing. Das Licht funktionierte nicht, und so machte er die Tür wieder auf, riß den Abschnitt mit den Telefonnummern aus der Zeitung, legte den Papierfetzen auf den Apparat. Er zündete sein Feuerzeug an, ließ den Hörer hängen; nur so konnte er zugleich lesen und wählen. Die Vorwahl für Deutschland hatte er im Kopf. Als die Wählscheibe sich nach der letzten Ziffer zurückgedreht hatte, nahm er den Hörer auf und schloß die Tür. Er war auf technische Pannen gefaßt, aber die gab es nicht.
»Bundeskriminalamt. Kroger.« Die Stimme war deutlich zu vernehmen.
»Guten Abend. Hier spricht Frank Golombek. Ihre Behörde hat einen Anruf an mich gerichtet.«
»Gut, daß Sie anrufen, Herr Golombek! Ich verbinde Sie mit Kriminaldirektor Schattner. Legen Sie bitte nicht auf!«
Er brauchte nicht lange zu warten.
»Hier Schattner. Guten Abend, Herr Golombek! Ich freue mich, daß Sie anrufen. Von wo sprechen Sie?«
»Ist es absolut sicher, daß niemand, der meiner Frau und mir gefährlich werden könnte, mithört?«
»Ja, absolut. Also, wo sind Sie?«
»In Spanien.«
»Wo in Spanien?«
»In Barcelona.«
»Mit Ihrer Frau?«
»Ja.«
»Sie müssen verstehen, wir brauchen eine Gewähr dafür, daß Sie auch wirklich Frank Golombek sind. Beantworten Sie mir also vorweg eine Frage! Unter welchem Motto stand die Predigt beim Sterbegottesdienst für Ihren Vater? Ich bin darauf gestoßen, als ich Ihren Schreibtisch durchsuchte.«
Er brauchte nicht lange zu überlegen, antwortete:
»Wenn irgendein Mensch hundert Schafe hätte und eines unter ihnen sich verirrte: läßt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen, geht hin und sucht das verirrte?«
»Stimmt. Herr Golombek, wir kommen sofort, um Sie zu holen.«
»Wie denn?«
»Wir schicken eine Kuriermaschine. Begeben Sie sich mit Ihrer Frau jetzt gleich ins deutsche Generalkonsulat! Die Adresse ist …, warten Sie einen Moment …, gleich haben wir’s, ja, hier ist sie! Also, Paseo de Gracias Nummer 111, im vierzehnten Stock.«
»Um diese Zeit wird niemand dasein.«
»Wir sorgen dafür, daß jemand da ist. Wo wohnen Sie?«
Er nannte seine Pension und die Adresse.
»Gut. Und Sie werden Ihren Entschluß nicht umstoßen?«
»Nein, bestimmt nicht«, antwortete Golombek, und dann fragte er: »Gibt es eine Gewähr dafür, daß keiner der Terroristen an meine Frau und mich herankommt, während wir bei Ihnen sind? Und auch auf der Reise nicht?«
»Sie können sich darauf verlassen. Moment, mir fällt da grad was ein! Hat die VITANOVA gewußt, daß Ihre Frau in der Zeit vor dem Wasloher Anschlag auf Ibiza war?«
Er erinnerte sich sofort daran, daß Nadine ihn nach Katharina gefragt hatte.
»Ja«, antwortete er.
»Dann dürfen wir die Möglichkeit nicht außer acht lassen, daß die Gruppe in Spanien nach Ihnen sucht, also vielleicht auch in Barcelona. Kann sein, daß sie nach unserem Aufruf vor dem deutschen Konsulat Posten bezogen hat. Fahren Sie also nicht dahin! Der Mann vom Konsulat kommt zu Ihnen. Warten Sie in Ihrer Pension! Er wird einige spanische Polizisten mitbringen, die sich natürlich bei Ihnen ausweisen müssen.«
»Mein Gott, hoffentlich geht das gut!«
»Es wird gutgehen. Noch etwas! Wir werden den Aufruf, der ja in fast allen deutschen Zeitungen erscheint und auch von Funk und Fernsehen gesendet wird, noch eine Zeitlang täglich wiederholen. So entsteht bei den Terroristen der Eindruck, Sie hätten sich noch nicht gemeldet.«
»Das ist gut.«
»Herr Golombek, danke, daß Sie angerufen haben! Ich verständige jetzt den Konsul und sorge dafür, daß die Kuriermaschine

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