1988 VX (SM)
sich gerade auf dem Rücksitz ausgestreckt, und so schlief er noch nicht, als Fred meldete: »Da tut sich was!«
Rüdiger richtete sich wieder auf, ließ sich das Fernglas geben, sah hindurch. Vor dem Eingang des Konsulats hielt ein Pkw. Die drei Insassen, deren Umrisse er im Licht der Straßenlampe erkennen konnte, stiegen aber nicht aus, schienen auf irgend etwas zu warten.
»Ich glaube, wir sollten lieber ein bißchen schrumpfen«, sagte Fred.
Sie rutschten beide auf ihren Sitzen nach vorn und glitten gleichzeitig an den Rückenlehnen entlang ein Stück abwärts, so tief, daß sie gerade noch hinaussehen konnten. Die Fenster im vierzehnten Stock waren weiterhin dunkel.
»Willst du nicht nach vorn kommen?« fragte Fred.
»Nicht jetzt. Sie könnten die Türen hören. Ich warte einen besseren Moment ab.«
Kurz darauf kam ein weiteres, mit vier Personen besetztes Auto, hielt dicht hinter dem ersten. Ein Mann stieg aus. Er trug eine Polizeiuniform.
»Kann sein«, sagte Rüdiger, »daß Robert recht hatte.
Vielleicht kommt gleich noch ein Taxi, und in dem sitzt dann unser Golombek.«
»Oder er ist einer von den drei Typen da vorn.« Sie sahen, daß der Mann, der ausgestiegen war, durch das Fenster mit den Insassen des ersten Wagens sprach. Dann kehrte er zu seinem Fahrzeug zurück, stieg wieder ein. Keiner der Ankömmlinge hatte bis jetzt das Gebäude betreten, und so überraschte es die beiden Beobachter, daß die Autos sich plötzlich in Bewegung setzten.
»Wahrscheinlich ist Golombek tatsächlich im vorderen Wagen!« Rüdiger riß die Seitentür auf, sprang auf den Bürgersteig, stieg vorn wieder ein. »Los! Hinterher!«
»Willst du nicht lieber fahren?«
»Du kannst das genauso gut.«
Sie fuhren in einem Abstand, der es ihnen erlaubte, die beiden Autos im Auge zu behalten und dabei nicht aufzufallen. Nur einmal gab es eine brenzlige Situation, und zwar beim Einbiegen in das gewaltige Rondell der Plaza de Cataluna . Da mußte Fred, um den Sichtkontakt nicht zu verlieren, einem Lastzug die Vorfahrt nehmen. Er tat es beherzt, verursachte fast einen Zusammenstoß, und der Vorfall bewies Rüdiger, daß sein Partner trotz aller Skrupel zur Sache stand; denn hier hätte er die Chance gehabt, die Aktion zu vereiteln, ohne daß die Gruppe ihm später einen Vorwurf hätte machen können. Nachdem sie aus dem großen Ring ausgeschert waren, ging es die Ramblas hinunter.
»Mir scheint, wir kommen zurück in unsere Gegend«, sagte Fred.
»Womöglich fahren sie zum Bahnhof«, antwortete Rüdiger. »Ein Eisenbahnabteil wäre für unser Vorhaben nicht
gerade der ideale Platz.«
Aber es ging in den Paseo de Colon zu einer kleinen Pension. Vor dem Eingang stand ein schwarzer Mercedes, dem gerade zwei Zivilisten entstiegen; sie begrüßten die Ankömmlinge.
»Los! Da rüber!« Rüdiger zeigte auf ein mehrstöckiges Gebäude. Da trotz des fortgeschrittenen Abends noch immer lebhafter Straßenverkehr herrschte, konnten sie voraussetzen, daß ihr Manöver nicht auffallen würde. Gleich darauf schluckte der Schatten der großen Lagerhalle ihr Fahrzeug. Sie saßen im Dunkeln, hatten aber gute Sicht. Zwei Uniformierte und ein Zivilist verschwanden in der Pension, und nach einigen Minuten waren es fünf Personen, die herauskamen, darunter eine Frau. Obwohl Frank Golombek sich mit seiner Perücke getarnt hatte, erkannte Rüdiger ihn auf Anhieb im Licht der Außenlampe.
»Sie sind es«, sagte er, »die Golombeks, und wenn wir etwas tun wollen, muß es sofort sein!« Er ergriff eine der Granaten, stieg aus.
Rodrigo Jimenez aus Montserrat, mit seinen zwanzig Jahren der Jüngste in der von den Deutschen erbetenen Polizei-Eskorte, stand vor der Eingangstür und nahm gerade Katharina Golombeks Arm, um sie die kleine steinerne Treppe, die auf den Bürgersteig führte, hinabzugeleiten, da sah er einen faustgroßen Gegenstand heranfliegen. Gleichzeitig hörte er einen Motor aufheulen. Er hatte noch wenig berufliche Erfahrung, reagierte nur aus dem Instinkt heraus. Der Gegenstand fiel auf die Treppe, kullerte eine Stufe herunter, blieb liegen, und wenn auch nicht die Form, so sprachen doch die dunkelgrüne Farbe und die Riffelung und vor allem die Tatsache, daß damit nach seinen Begleitern und ihm geworfen worden war, für einen Sprengkörper. Er wußte nichts von den tollkühnen Frontsoldaten, denen es manchmal gelang, einen solchen Angriff dadurch abzuwehren, daß sie mit beherztem Zugriff das ihnen
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