1988 VX (SM)
Und dann … war da ein Ast. So hat man es rekonstruiert.«
»Mein Gott!«
»Ich hab’ Alejandro angerufen.«
»Gut.«
»Bitte, Frank, komm so schnell wie möglich!«
»Ich verspreche es dir. Dies hier kann nicht lange dauern. Hat Martin dir etwas gegeben?«
»Ja, FORTRAL.«
»Gut. Bis gleich, Katharina.«
»Bis gleich.«
Golombek legte auf.
»Wer ist Martin?« fragte Lemmert.
»Unser Hausarzt Dr. Pagels.«
»Und was ist FORTRAL?«
»Ein starkes Medikament. Wahrscheinlich hat meine Frau unerträgliche Kopfschmerzen gehabt. Sie neigt dazu, und heute …, na, Sie wissen ja.«
Schrader kam herein und fragte, ob jemand einen Kaffee wünsche. Sie wollten alle einen, auch Golombek. Als Schrader die gefüllten Tassen gebracht hatte und wieder gegangen war, fragte McGilles:
»Erlauben Sie, Herr Golombek, auch mir ein paar Fragen?«
Golombek nickte.
»Warum beobachten Sie frühmorgens die militärischen Anlagen von Wasloh?«
»Weil ich da, wo jetzt Ihre Bunker stehen, als Kind gespielt habe. Da haben wir unsere Höhlen gebaut und unsere Indianerkämpfe ausgetragen. Außerdem gehörte das Gelände zum Jagdrevier meines Großvaters.«
»Ist diese Kindheitserinnerung der einzige Grund?«
»Nein. Hinzu kommt, daß ich Waffen verabscheue und chemische Waffen ganz besonders. Beim Beobachten des Camps denke ich darüber nach, wie man es beseitigen könnte.«
»Und? Haben Sie schon eine Idee?«
»Leider nicht.«
Der General mischte sich ein, wandte sich in seiner Muttersprache an McGilles: »Fragen Sie ihn, ob er während der letzten drei Wochen mal in Frankreich gewesen ist.«
Obwohl Golombek den General verstanden hatte, ließ er zunächst McGilles übersetzen. Erst dann antwortete er:
»Nein, war ich nicht.«
Lemmert öffnete eine Aktentasche, legte zwei Phantombilder auf den Tisch, die nach den Angaben einiger Mitglieder des Kellbacher Tennisclubs angefertigt worden waren, und fragte:
»Kennen Sie eine dieser beiden Frauen?«
Golombek besah sich die kolorierten Skizzen, die wie Zeichnungen von Kinderhand aussahen und nur wenige physiognomische Besonderheiten aufwiesen.
»Nein«, sagte er, »weder die Blonde noch die Dunkle.«
»Es handelt sich um ein und dieselbe Frau.«
»Ist es die, mit der Braden Tennis gespielt hat?«
»Ja. Zugegeben, die Bilder sind dürftig. Die Leute im Club erinnerten sich nur vage.« Lemmert trat wieder zur Seite.
»Waren Sie schon mal im Kellbacher Club?« fragte McGilles.
»Nur einmal. Wir hatten vor ein paar Jahren in dem Clubraum eine Pferdezüchterversammlung, weil der Gasthof, in dem das Treffen stattfinden sollte, einen Rohrbruch hatte.«
Lemmert trug aus einer Ecke des Raumes einen großen weißen Behälter herbei, öffnete ihn, hob behutsam seinen Inhalt heraus und stellte ihn auf den Schreibtisch.
»Was sagen Sie dazu?«
»Warum packen Sie nicht gleich ein Nilpferd dahin?«
»Haben wir nicht«, sagte McGilles, »wir haben nur diesen Vogel.«
»Das ist ein ausgestopfter Schwarzstorch«, sagte Golombek.
»Woher wissen Sie das so genau?« fragte Lemmert.
»Weil es hier in der Nähe ein Schwarzstorchennest gibt und ich die Tiere oft beobachtet habe.«
Lemmert nahm den Vogel auf und hielt ihn schräg, so daß Golombek die beiden Einkerbungen im Bauch sehen konnte. »Und was ist das?« fragte er.
»Weiß ich nicht.«
Lemmert klopfte mit den Fingerspitzen gegen das kleine Motorengehäuse. »Hier ist der Antrieb. Ich glaube, mit diesem Vogel hat man Luftaufnahmen vom Camp gemacht.«
»Clever, falls es funktioniert hat«, sagte Golombek.
Lemmert setzte den Vogel in den Kasten zurück. »Diesen Storch«, sagte er und stellte die Box wieder in die Zimmerecke, »hat man unter dichtem Buschwerk entdeckt, und zwar keine hundert Schritte von Ihrem Blockhaus entfernt. Nach dem Anschlag auf Braden haben wir hier die Umgebung systematisch durchkämmt, und dabei fanden wir die Kühlbox mit dem Vogel drin. Wir halten es nicht für ausgeschlossen, daß es Ihre Tochter gewesen ist, die den Storch versteckt hat. Und vielleicht hat ihr Pferd gar nicht gescheut, sondern sie hat es im Anblick des Panzers herumgerissen, weil sie so schnell wie möglich zurückreiten wollte, um das Ding noch besser zu verstekken.«
»Der Gedanke ist absurd. Ich schwöre Ihnen, meine Tochter hat mit der Sache nicht das geringste zu tun!«
»Schwören Sie lieber nicht! Wir haben den Vogel heute am späten Nachmittag gefunden und wollten, solange es noch möglich ist, von Ihrer Tochter Fingerabdrücke nehmen. Ihre Frau hat es uns
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