1988 VX (SM)
kalten Bären nehmen …«
»Also, ich kenne den Großen Bären und den Kleinen«, unterbrach Robert den Freund aus früheren Zeiten, »aber einen kalten? Gibt es etwa auch einen heißen oder warmen?«
»Es ist so: Um die Betonpfeiler in den Boden zu bringen, brauchen wir eine Ramme. Ich hab’ eine, wenn auch mit ’nem Kuckuck drauf. Ist ziemlich hoch, zwölf Meter, und oben hängt der schwere Klotz, der auf den Pfeiler runtersaust und ihn in die Erde rammt. Wenn er den Schlag auf den Pfeiler nur mit seinem eigenen Gewicht erzeugt, durch den freien Fall also, ist er ein kalter Bär. Aber wenn dieser Schlag maschinell verstärkt wird, zum Beispiel durch ein Preßluftverfahren, dann ist der Klotz ein heißer Bär. Der kalte macht fünfzehn Schläge pro Minute, der heiße sechzig. Und damit zurück zur Zeit und zur Stückzahl. Wenn wir …«, er überlegte einen Moment, »die Pfeiler im Abstand von etwa vier Metern setzen,
müßte die Rechnung aufgehen. Dann brauchen wir bei einer Beckengröße von acht mal zwölf Metern ein Dutzend. Pro Pfeiler benötigen wir ungefähr einen Tag, also …«
»Was?« Robert machte ein ungläubiges Gesicht. »Ich dachte, so ein Ding ist in ’ner halben Stunde im Boden!«
»Irrtum. Es geht nur millimeterweise voran. Also zwölf Tage. Die Presse schafft acht bis zehn Meter am Tag, und damit hätten wir ungefähr den gleichen Zeitraum. Korrigieren kann man dann immer noch. Wenn wir zum Beispiel sehen, daß wir mehr Zeit brauchen, könnten Sie, Herr Golombek, plötzlich den Wunsch nach einem schönen Sprungturm verspüren. Dafür würden zusätzliche Rammschläge erforderlich. Also, das kriegen wir hin! Der Rammbär gehört nun mal zu den Geräten, die auf dem Bau den größten Krach machen, und so werden die Sensoren am Depot pausenlos reagieren. Sogar wenn die Schnecke nachher direkt unter dem Zaun arbeitet, kommt der entscheidende Lärm von dem neunzig Meter entfernten Rammbock. Der dominiert.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte Golombek, »aber ein paar Fragen habe ich noch.«
»Fragen Sie nur!«
»Die Schnecke muß also, wenn ich das Prinzip richtig verstanden habe, bis auf eine Länge von hundert Metern anwachsen. Wie schafft man so ein Monstrum hierher, und wie handhabt man es?«
»Der Gewindekopf sitzt an einer Endlosschnecke, die von der Rampe aus verlängert wird, ganz ähnlich wie der Tunnel.«
»Gut, das wäre geklärt. Sie sagten vorhin, das Aggregat, das als Antrieb für die Schnecke dient, macht auch viel Krach. Leuchtet ein, wenn man bedenkt, wie laut schon ein simpler Elektrobohrer arbeitet. Ist denn nun für jemanden, der draußen neben der Reithalle steht, womöglich an der Südwand, die Ramme immer noch lauter als das Aggregat?«
»Da bin ich mir nicht sicher, aber wenn Sie sowieso eine bauliche Veränderung in der Reithalle vortäuschen wollen, könnte man das Geräusch erklären. Außerdem gibt es eine Methode, den Lärm einzudämmen, und zwar ganz erheblich. Mit Heu oder Stroh.«
Golombek staunte. »Wie denn das?«
»Sie kennen doch die gepreßten Stroh- und Heuballen, haben sie bestimmt auch hier in Ihrem Betrieb.« Natürlich kannte Golombek sie, und an einen davon erinnerte er sich nur zu genau. Er nickte.
Rüdiger fuhr fort: »Wenn man das Aggregat, das ja nicht unbedingt neben der Presse installiert werden muß, praktisch kann es überall stehen, ist dann nur eine Frage der Kabellänge …, also wenn man es mit Wänden aus Stroh- oder Heuballen umstellt, schlucken die den Schall fast völlig. Ein Rest des Lärms geht oben raus, aber den hört man bestimmt nicht, zumal nicht, wenn die Ramme arbeitet. Wenn auf einer unserer Baustellen nachts ein Aggregat laufen muß, und es handelt sich um ein Wohngebiet, schirmen wir es auch auf diese Weise ab.«
»Wie ist es mit der Luft im Tunnel?« wollte Nadine wissen. »Wir brauchen zwar nicht da unten zu arbeiten, das macht ja die Schnecke, aber später, wenn wir hindurchlaufen müssen …, können wir dann in der langen Röhre überhaupt atmen?«
»Wir bauen Luftschächte.«
Robert fragte: »Verläuft der Tunnel schnurgerade, oder kann es passieren, daß er sich auf der langen Strecke um ein paar Meter versetzt? Wir arbeiten nach Luftaufnahmen und nach einer Lageskizze, müssen den Kurs des Tunnels vorher genau festlegen, damit wir auf jeden Fall in freiem Gelände rauskommen. Stellt euch vor, unsere Schnecke rammt einen unterirdischen Bunker voller Gasgranaten! Dann ist
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