1988 VX (SM)
wandte sich an Golombek:
»Bitte!«
Golombek machte einmal die ganze Drehung, sah voller Faszination das Innere des Camps und bedauerte einmal mehr, nicht dabeisein zu können, wenn es galt, in das einstige Terrain seines Vaters einzudringen.
Dann kam Nadine an die Reihe. Als sie ihren Rundblick beendet hatte, sagte sie: »Phantastisch! Ich kann es kaum erwarten.«
Sie schoben das Periskop zusammen und legten es auf dem Fußboden ab. Dann krochen sie zurück.
In der Halle verabschiedeten sie sich voneinander, wünschten sich eine gute Nacht vor dem großen Ereignis.
Golombek umrundete ein paarmal sein Schwimmbad, das im Rohbau fertig war. Am Rand lagen zahlreiche Stapel blauer Kacheln.
Er setzte sich, ließ die Beine ins Becken baumeln. Baulampen waren nicht mehr da, aber die beiden links und rechts neben der Verandatür angebrachten Leuchten gaben genügend Licht.
Es war ein schönes, großes Schwimmbad geworden. An der Stirnseite führte eine breite Treppe hinunter bis auf eine Tiefe von achtzig Zentimetern. In der Mitte würde der Wasserstand etwa einen Meter vierzig betragen, und von da an ging es steiler bergab bis auf dreieinhalb Meter.
Er dachte an Marianne. Es schmerzte ihn, daß die Anlage, die sie sich so sehr gewünscht hatte, erst jetzt entstanden war und auch nur aus strategischen Gründen. Doch dann tröstete er sich mit dem Gedanken, daß sie den anderen Bau, um den es in Wahrheit gegangen war, nicht nur gebilligt, sondern ihm begeistert zugestimmt hätte. Wie schön wäre es gewesen, dachte er, einmal nicht, wie so oft, in der Frühe nach Haus zu kommen und ihr sagen zu müssen: »Es war das Übliche: Hinfahren, Sehen, Nichtsmachenkönnen, Bösewerden, Wiedernachhausefahren!« Sondern endlich mal vor sie hintreten zu können mit der Botschaft: »Wir haben es geschafft! Morgen holen wir uns die Granate, zeigen sie unseren Landsleuten, und dann begreifen die wohl endlich, daß sie dieses Kuckucksei der Amerikaner nicht länger in ihrem Nest dulden dürfen!« Ach was, ich hätte das gar nicht zu sagen brauchen, weil sie von Anfang an dabeigewesen wäre!
Er stand auf, ging zum Haus hinüber, betrat die Veranda, hatte plötzlich den Wunsch, mit Katharina zu sprechen. Einmal, zu Beginn ihrer Trennung, hatte sie sich gemeldet und ihre Adresse und ihre Telefonnummer mitgeteilt.
Er ging ins Arbeitszimmer, suchte sich die Nummer heraus, wählte. Erst als das Amtszeichen viermal ertönt war, hörte er ihre Stimme:
»Ja, hallo?«
»Katharina, ich bin’s. Hab’ ich dich aus dem Schlaf geholt?«
»O, Frank, wie schön! Nein, du hast mich nicht geweckt. Ich war auf der Terrasse. Wie geht es dir?«
»Das Schwimmbad ist bald fertig. Ich hab’s mir eben noch mal angesehen.«
»Und dabei bestimmt an Marianne gedacht.«
»Natürlich.«
»Vielleicht hättest du es lieber nicht bauen sollen. Im Grunde war es auch wohl nur eine Trotzreaktion, war eine Antwort auf die Sache mit Morrison.«
»Mag sein.«
»Klar, Frank, so war es! Du brauchtest ein Vorhaben, eins, das dich für Wochen festhalten würde, und da fiel dir das Schwimmbad ein. Warum rufst du jetzt an?«
»Nur so. Vielleicht, weil der Bau fast fertig ist.«
»Heißt das, ich soll kommen?«
»Nein, bitte noch nicht!«
»Oder hast du Lust, mich hier zu besuchen? Es ist ein großes Haus; ich verlier’ mich fast darin.«
»Vielleicht in vierzehn Tagen.«
»Du hierher oder ich zu dir?«
»Mal sehen. Ich weiß es noch nicht. Ich hatte heute abend einfach nur das Bedürfnis, mit dir zu sprechen.«
»Denkst du auch so viel an Marianne?«
»Ja.«
»Ich begreife nicht, daß ausgerechnet die beiden Menschen, deren Trauer um Marianne gleich groß ist, nämlich unerträglich groß, auseinandergehen.«
»Immerhin gab es den Colonel .«
»Frank, vielleicht ist es so, daß jemand, der sein Kind verliert, irgend etwas Wahnsinniges tun muß, um wieder ins Lot zu kommen. Ich weiß, das hört sich nach einer billigen Entschuldigung an, aber ich hätte genausogut eine Bank ausrauben oder ein Haus anzünden können. Du hast ein Schwimmbad gebaut, obwohl diejenige, für die es einmal gedacht war, nicht mehr da ist. Vielleicht war es gar nicht die trotzige Auflehnung gegen Morrison und mich, sondern du mußtest auch irgendwas Verrücktes machen. Wahrscheinlich hätte es mich nicht stärker überrascht, wenn du statt des Schwimmbads eine Moschee gebaut hättest.«
»Es stimmt, nach einem solchen Ereignis ist man nicht mehr der, der man vorher war. Versuch jetzt zu schlafen! Es ist schon
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