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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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seiner Brust, wenn auch nicht mehr so arg wie in den letzten Tagen.
Wieso hab’ ich eigentlich diesen blöden Job? Wieso muß ich dauernd hinter obskuren Leuten herjagen und mich dabei dem Risiko aussetzen, daß sie sich dagegen wehren, indem sie zum Beispiel versuchen, mir ein Stück Blei zwischen die Rippen zu schicken? Wie damals, als ich noch Landespolizist war, dieser wildgewordene LKWFahrer aus Bremen! Wir hatten einen Tip aus der Unterwelt bekommen, einen ziemlich vagen, so daß es nicht reichte, zur Abklärung den großen Fahndungsapparat in Gang zu setzen, und ich also allein war mit dem Burschen. Er säuselt mich minutenlang herzergreifend an, ich möge ihn doch weiterfahren lassen, seine Melonen seien schon beim Aufladen in San Sebastian nicht mehr die frischesten gewesen, dann der weite Weg und gleich zu Anfang eine Riesenverzögerung an der spanisch-französischen Grenze wegen einer Barriere aus zweiundsiebzig Traktoren; wenn er in Bremen auf dem Wochenmarkt eintreffe, könne er seine Fracht wahrscheinlich sowieso gleich auf den Müll kippen; aber versuchen solle man es doch wenigstens, noch rechtzeitig anzukommen, und nun dies: ein Polizist, der erstmal in alle Kisten gucken wolle. Ja, so jammerte der Mann herum. Er machte wirklich einen verzweifelten Eindruck. Ich war schon drauf und dran, die Plane wieder runterzuziehen, aber dann juckt mich plötzlich dieser idiotische Jagdinstinkt, und ich sag’: »Okay, eine Kiste, und dann kannst du weiterfahren!« Ich zeig’ noch drauf und sag’: »Diese!« Und da, ganz plötzlich, ohne Übergang, ohne ein weiteres Wort, zieht er unter dem grünen Gemüsehändlerkittel die Pistole hervor. Ich krieg’ das grad noch mit, als ich mich an die Kiste ranmachen will, nur so aus dem Augenwinkel, schmeiß’ mich also hin, und da fetzen mir auch schon zwei blaue Bohnen um die Ohren. Ich roll’ mich von hinten unter den Laster und an der rechten Seite wieder raus, blitzschnell, wie wir’s gelernt haben, spring’ aufs Trittbrett, dann weiter mit einem Satz auf den Kühler, und da hab’ ich den Burschen von oben, weil er nämlich links von seinem Auto kniet und drunterlinst. Ich brüll’: »Waffe weg!« Aber dieses unbelehrbare Arschloch läßt das Ding nicht fallen, sondern dreht sich rum und ballert schon wieder oder will es jedenfalls, aber ich hab’ nun mal die bessere Position und dazu die Viertelsekunde Vorsprung und komme folglich zum dritten Schulterschuß meiner Laufbahn, fühl’ mich gleich darauf beschissen statt stolz, nicht mal erlöst, könnte dem Kerl, als ich dann über ihm hocke, glatt den grünen Kittel vollkotzen. Und natürlich hatte er nicht nur Melonen geladen! Etliche Kisten waren mit Waffen gefüllt. Warum hab’ ich nicht einen schönen gepolsterten Stuhl im Finanzamt, wo man den Leuten zwar auch weh tut, aber nicht mit Schulterschüssen und auch ohne Gefahr fürs eigene Leben?
Cornelius Lemmert gab sich auf diese Frage sogar eine Antwort, eine, die er einem anderen nie gegeben hätte: Ich glaub’, es ist tatsächlich mein verflixter Widerwille gegen alle krummen Touren dieser Welt, denn das Geld kann es nicht sein, weil’s nie hinreicht bis Ultimo. Und Abenteuerlust ist es ebensowenig; dazu ist das, was mir täglich unterkommt, einfach zu abscheulich. Ja, es stimmt wohl, daß ich mich aufgerufen fühle, wenn die Dealer und die Killer unterwegs sind und unsere Straßen und Plätze zur freien Wildbahn machen. Eigentlich bin ich sowas wie dieser deutsche Typ, der da vor einiger Zeit in der New Yorker U-Bahn rumgeballert hat, und wenn meine Chefs das wüßten, würden sie mich feuern. Also, Jeff, ich krieg’ die Leute, die dich in die Nordsee verfrachtet haben! Und ich krieg’ auch die Nutte, die mit ihrer WALTHER dafür gesorgt hat, daß euer Braden in die Knie ging und sich mit seinem blanken Hintern auf den Abfluß setzte, so daß der Duschraum überlief. Und jetzt auf zu Morrisons Schätzchen, bevor ein dritter Mord passiert!
Er ging ins Haus zurück, duschte, zog sich ein frisches Hemd an, sah dann noch kurz in den Spiegel, war alles andere als zufrieden: Dabei waren meine Eltern doch ganz manierlich! Woher hab’ ich bloß diese Segelohren und dieses schüttere stumpfe Haar, das aussieht wie Asche mit Lehm angerührt? Und diese Augen, die immer ein bißchen gelbsüchtig wirken und dabei doch so was wie der Spiegel der Seele sein sollen? Und welcher Kümmerling in meiner Ahnenreihe ist verantwortlich für diesen Zwergenwuchs von

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