199 - Das Monster aus dem Stein
wir nicht. Wir hatten mit seinem Chef gesprochen und erfahren, daß Brack ein Einzelgänger gewesen war.
Keine Freundin, keine Freunde. Verschlossen und unzuverlässig. Verlogen und aufsässig. Kein Mensch zum Mögen. Der Leiter der Waschstraße stellte dem Toten kein schönes Zeugnis aus, und er nahm auch dann nichts zurück, als wir ihm eröffneten, daß Brack tödlich verunglückt war.
Etwas hatte uns aufhorchen lassen: Der Mann hatte uns erzählt, daß Brack ungefähr vor einem dreiviertel Jahr in den Rockies gewesen war und dort Urlaub gemacht hatte.
Sein Ziel war ein Dorf namens Amochrane gewesen. Von dort aus hatte er seine Touren gemacht. Mit Fahrtenmesser, Gewehr und Zelt hatte sich Brack einem strapaziösen Überlebenstraining unterzogen.
Er hatte gefischt, gejagt, Beeren und Wurzeln gegessen - und war ein anderer Mensch gewesen, als er zurückkam. Noch unleidlicher, noch unsympathischer, nicht im geringsten erholt. Sein Chef hatte damals schon erwogen, ihn zu entlassen, hatte sich aber dann entschieden, ihm noch eine Chance zu geben. Eine Chance, die Bobby Brack aber offensichtlich nicht zu schätzen gewillt gewesen war.
Wir hatten uns die Landkarte nach diesem Gespräch genau angesehen und festgestellt, daß Amochrane haargenau das Zentrum jenes Gebietes war, das uns Yora gezeigt hatte.
Nun waren wir natürlich mächtig gespannt, was uns in der Umgebung dieses Dorfes erwarten würde. Für mich stand fest, daß Bobby Brack Caggons »Schwärze« nicht in Vancouver bekommen hatte. Meiner Ansicht nach war Brack in der Wildnis mit dem Bösen in Berührung gekommen.
Er hatte die unheilvolle Kraft gewissermaßen an der Quelle in sich aufgenommen und nach Vancouver mitgenommen, und nun drängte sich mir die Frage auf: Hatte Bobby Brack die Schwärze für sich behalten oder weitergegeben?
Da sein Chef ihn als Einzelgänger beschrieben hatte, hätte man ersteres annehmen können. Doch Caggon konnte ihm auch den Auftrag erteilt haben, weitere Abhängige »anzuwerben«.
Mr. Silver zerdrückte die leere Cola-Dose und legte das unförmige Kunstwerk ins Handschuhfach. »Ich bin ganz deiner Meinung, Tony«, sagte er.
Da ich nicht mit ihm gesprochen hatte, hatte er meine Gedanken gelesen. »Warum läßt du das nicht endlich sein?« brummte ich unwillig. »Du weißt, daß ich es nicht sonderlich schätze, wenn du in meinem Kopf herumschnüffelst. Damit verletzt du meine Intimsphäre.«
»Ehrlich gesagt, ich hatte nicht die Absicht, mich in deine Gedanken einzuschalten. Es ist mir einfach passiert. Du warst so schweigsam, und im nächsten Moment wußte ich, was du denkst. Entschuldige. Ich werde in Zukunft versuchen, das ein wenig einzudämmen.«
»Nur eindämmen? Ich wäre dir dankbar, wenn du es abstellen würdest.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte der Ex-Dämon. »Es gibt Fähigkeiten, die lassen sich von meinem Willen nur schwer beeinflussen. Manchmal war es doch auch schon von unschätzbarem Wert, daß ich wußte, was du dachtest, weil ich mich rechtzeitig auf das Problem, das dich beschäftigte, einstellen konnte.«
»Der unangenehme Aspekt überwiegt«, stellte ich fest. »Jeder Mensch hat hin und wieder das Bedürfnis, sich in sich zurückzuziehen und unausgegorene Überlegungen anzustellen.«
»Brauchst du das denn?« fragte der Ex-Dämon zweifelnd.
»Sobald meine Überlegungen Hand und Fuß haben, erfährst du sie ohnedies. Kannst du nicht darauf warten, bis sie so weit gediehen sind?«
Ich schaltete in den nächsthöheren Gang. Wir kamen zügig voran. Um keinen Ärger mit der Polizei zu kriegen, hielt ich mich an die Speed Limits. Das Verkehrsaufkommen war auf dieser Strecke nicht sonderlich groß. Ich empfand das als äußerst angenehm, weil ich mich nicht so angestrengt aufs Fahren konzentrieren mußte.
»Wollen wir nun über deine Gedanken reden oder nicht?« fragte der Ex-Dämon.
»Okay, reden wir«, gab ich zurück.
»Du befürchtest, Brack könnte die Schwärze, die er sich in den Rocky Mountains geholt hat, weitergegeben haben«, sagte der Hüne mit den Silberhaaren.
Ich nickte. »In Caggons Auftrag. Ob diese Abhängigen irgendwie miteinander in Verbindung stehen?«
»Möglich.«
»Du meinst, es wäre denkbar, daß einer über den anderen Bescheid weiß«, sagte ich. »Dann wäre damit zu rechnen, daß alle, die mit Caggon in Verbindung stehen, wissen, daß Bobby Brack nicht mehr lebt. Vielleicht geht die Information so weit, daß diese Leute wissen, welche Umstände zu Bobby
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