1991 Atlantik Transfer (SM)
gegangen. Er lungert derweil in der Halle herum, wartet vermutlich auf sie. Wenn sie wiederkommt, so schätze ich, fahren sie entweder zusammen weg, und wir können ihnen folgen, oder sie essen im Hotel zu Abend, was wir dann natürlich auch machen.«
»Aber wozu?« fragte Thaden. »Wir müssen doch an ihn, an Foreman, rankommen, und solange die Frau ihn mit Beschlag belegt, haben wir keine Chance.«
»Es kann«, antwortete darauf Nielson, »nie schaden, einen wichtigen Augenzeugen, dessen Glaubwürdigkeit man anzweifelt, mal etwas eingehender unter die Lupe zu nehmen. Wir …«
Das Pärchen trat durchs gläserne Portal nach draußen, ging aber nicht zum Parkplatz, sondern überquerte die Straße, schlenderte ein paar Schritte an der Lagune entlang und bog dann ab auf den breiten hölzernen Steg, an dessen Ende ein reetgedeckter runder Pfahlbau aus dem Wasser ragte.
»Das Lorenzillo’s«, rief Maibohm aus, »das Restaurant, von dem der Mann in unserer Rezeption gesprochen hat! Das trifft sich gut. Es ist Essenszeit, wir haben Hunger, und Mister Foreman wird mit seiner Lady in unserer Nähe speisen.«
Auch sie stellten nun ihren Wagen auf dem Parkplatz des VILLAS PLAZA ab, gingen über die Straße und betraten den Holzsteg. Vor dem Restaurant sorgte Nielsons erstaunter Ausruf »Donnerwetter!« für eine kleine Verzögerung. Und dort, wohin er dann zeigte, gab es in der Tat etwas zum Staunen.
Auf dem Schild neben der Eingangstür war unter dem Namen Lorenzillo’s zu lesen: Desde 1683. »Hier haben vielleicht schon spanische Eroberer ihre Mahlzeiten eingenommen«, sagte Nielson.
Drinnen hielten sie sogleich nach Foreman und seiner Begleiterin Ausschau, entdeckten sie an einem der Tische an der Wasserseite. Auch die anderen Plätze an der Peripherie des Rundbaus waren besetzt, aber sie bekamen einen Tisch in der zweiten Reihe und waren damit nur wenige Schritte von den beiden entfernt.
Nielson konnte sie am besten sehen, denn sie saßen in seiner Blickrichtung, so daß es nicht auffiel, wenn er sie dann und wann musterte. Da auch hier, wie in den meisten Restaurants der lateinamerikanischen Länder, zum Essen Musik gehörte, war von den Gesprächen, die an den Nachbartischen geführt wurden, fast nichts zu verstehen.
Sie bestellten. Alle drei hatten Appetit auf Fisch. Sie wählten Seezungenfilets, die mit einer Füllung aus Krabbenfleisch angeboten wurden, und dazu einen trockenen weißen Bordeaux.
Es war ein gemütliches Lokal, üppig bestückt mit maritimen Accessoires wie Ankern, Tauen, Flaggen, Schäkeln. Wohin man auch sah, vermittelte das Interieur den Eindruck, daß man auf einem Schiff war, was Nielson zu der Bemerkung veranlaßte: »Nun speist man schon mal an Land und ist doch wieder an Bord!«
»Sie haben«, sagte Thaden zu ihm, »die beiden genau im Visier. Wie sieht Foreman denn aus? Vorhin, auf der Mole, war es schon ziemlich dunkel, und auch vom Auto aus hab’ ich nicht viel von ihm sehen können.«
»Markante Züge«, antwortete Nielson. »Dunkle Augen. Nicht unsympathisch. Ich schätze ihn auf … na, sagen wir mal, auf Anfang Vierzig. Aber ob er nun tatsächlich mit Pohlmann dieses karibische Ding gedreht hat, kann ich ihm leider nicht von der Nase ablesen.«
»Und die Puppe?« fragte Maibohm.
»Wohl eher ’ne Dame, jedenfalls der Kleidung nach. Mit ihrem Gesicht ist sie knauserig, versteckt es noch immer hinter Hut und Sonnenbrille.«
Am Tisch des Skippers wurde die Suppe aufgetragen. Nielson sah, daß die vom Teller aufsteigenden Dämpfe die Frau in Schwierigkeiten brachten. Offenbar beschlug ihre Brille. Sie nahm die Serviette auf, wischte damit von außen über die Gläser, schüttelte dann den Kopf, griff an die Bügel, zog sich die Brille vom Gesicht und legte sie auf dem Tisch ab. Nielson sah an der ihm zugewandten Schläfe ein dunkles Mal zum Vorschein kommen. Wie ein riesiger Leberfleck trat die verschrundete Hautpartie in Erscheinung, doch nur für einen Augenblick, denn gleich darauf zupfte die Frau den Schal, der an ihrem Hut befestigt war, zurecht. Und dann war er es, Foreman, der seine Serviette in die Hand nahm und damit die Brille putzte, was Nielson seinen Tischnachbarn sofort flüsternd mitteilte und als eine doch recht intime Dienstleistung bezeichnete.
Und er fuhr fort: »Los, unterhaltet euch, aber guckt nicht rüber! Ich erzähl’ euch gleich was, will nur eben abwarten, ob das, was ich entdeckt hab’, noch mal zum Vorschein kommt.«
Prompt setzte zwischen den Freunden ein
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