1991 Atlantik Transfer (SM)
engagiertes Gespräch ein. Thaden zeigte auf einen Anker und redete drauflos, sprach sehr laut über die Karavellen der spanischen Eroberer, woraufhin Nielson ihm zuraunte, er möge doch bitte von etwas anderem reden, sonst dächte Foreman womöglich, seine CARA BELA sei gemeint. So plauderten sie nun munter über die kleinwüchsigen Mayamädchen, die sie am Morgen in der downtown hinter den Verkaufstresen der Geschäfte erlebt hatten.
Doch Nielson wartete vergeblich. Der Fleck erschien kein zweites Mal, und als die Brille wieder an ihrem Platz saß, sagte er:
»Leute, ich muß euch erneut bitten, mich zu bremsen, wenn meine Phantasie mal wieder mit mir durchgegangen ist. Die Schöne da drüben hat soeben mit den heißen Suppendämpfen gekämpft, die ihre Brille attackierten, woraufhin sie sie abnahm und ich ein bißchen mehr von ihrem Gesicht sehen konnte.
Entweder hat sie Lepra, oder es ist ein Brandmal, was da für einen winzigen Moment unter dem Tuch hervorkam.«
Unwillkürlich wandten seine Zuhörer sich dem Foremanschen Tisch zu. »Nicht rübergucken!« zischte Nielson, und ruckartig, wie zwei Ertappte, drehten Thaden und Maibohm sich wieder um. »Ich weiß«, fuhr Nielson fort, »im Augenblick nur von einer einzigen Frau, der man das Gesicht verbrannt hat. Drüben. In Deutschland. Hab’ das in den Zeitungen gelesen.«
»Mein Gott!« entfuhr es Thaden.
»Klar«, sagte Maibohm, »das Haus am See. Die Feuersbrunst.
Die Rettung in letzter Minute, aber mit einigen Blessuren. Der KOMET hat auch darüber berichtet.«
Eine Weile schwiegen die drei. Wieder riskierte Nielson einen Blick auf die Halbverschleierte, konnte aber keine weitere Auffälligkeit entdecken.
»Möglichkeit Nummer eins«, sagte Maibohm. »Sie ist nur eitel und will verhindern, daß ihr Skipper diesen häßlichen Fleck dauernd vor Augen hat. Dann kann sie irgendwer sein, natürlich auch die Pohlmann. Möglichkeit Nummer zwei: Sie will nicht erkannt werden, schon gar nicht in Gesellschaft dieses Mannes. Dann ist sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Pohlmann. Ich hab’ einen Vorschlag.« Nielson und Thaden schoben ihre Köpfe noch dichter an ihn heran, denn jetzt sprach er so leise, daß sie ihn kaum verstehen konnten. »Ich geh’ mal rüber ins Hotel und versuch’ herauszubekommen, wer sie ist.«
»Willst du«, fragte Thaden, »einfach ihren Namen nennen? Vielleicht benutzt sie einen anderen.«
»Weiß ich noch nicht.«
»Und deine Seezunge?«
»Die stelle ich zur Verfügung unter der Bedingung, daß mir ’ne neue serviert wird.« Er stand auf, verließ das Lokal, ging über den Holzsteg und dann – ohne Eile, denn er wußte die Frau für noch mindestens eine halbe Stunde mit dem Essen beschäftigt – zum Hotel, legte sich auf dem kurzen Weg eine Strategie zurecht.
In der Halle trat er ohne Zögern an die Rezeption, überlegte es sich jedoch im letzten Moment anders, ging an dem langen Tresen entlang und dann weiter in Richtung auf die Schwingtür aus Glas, die zum Schwimmbad und zum Strand führte, verließ die Halle aber nicht, sondern schlug einen Bogen, ging wieder zurück zum Haupteingang und wandte sich, auf englisch, an den jungen Mann im Touristik-Office, das sich neben dem Portal befand.
»Guten Abend, ich habe ein kleines Problem. Heute morgen telefonierte ich mit Ihnen oder mit Ihrem Kollegen, weil ich die CARABELA mieten wollte. Ich bekam dann die Nummer von Mister Foreman.«
»Heute morgen? Das war mein Kollege.«
»Sie wissen wohl nicht, wie lange die Dame aus Deutschland das Boot noch mit Beschlag belegt hat, oder?«
»Leider nicht. Ich weiß nur, daß Howard Foreman die señora Steinburg jeden Abend zum Hotel zurückbringt. Aber ich kann Ihnen leicht ein anderes Boot vermitteln.«
»Nein, es sollte schon die CARABELA sein.« Er bedankte sich, trat zum zweiten Mal an die Rezeption, suchte sich unter den sechs dienstbaren Geistern den jüngsten heraus, einen zierlichen, schüchtern wirkenden Mexikaner, sprach wiederum englisch, spulte erneut sein Klagelied über die ständig ausgebuchte CARABELA ab und sagte dann: »Am besten weiß natürlich die señora Steinburg selbst, wie lange sie das Boot noch braucht.
Kann ich sie von der Halle aus anrufen?«
»Natürlich.« Der Jüngling zeigte auf die über die Lounge verteilten Telefonapparate.
»Und die Zimmernummer?«
Der Mexikaner sah in den Belegungsplan und antwortete: »Dreihundertsechzehn«, warf dann auch noch einen Blick auf die hinter ihm aufgereihten Schlüssel, legte den
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