1991 Atlantik Transfer (SM)
zurückgeht. Ich habe keine Zweifel, daß unser Mann Ernst Pohlmann ist.«
»Oder war«, sagte Maibohm. »Die Polizei scheint seinen Tod ja auch für bare Münze genommen zu haben.«
»Die kann sich irren«, sagte Nielson.
»Ich finde, Sie haben recht«, meinte Thaden. »Wir sollten zumindest für möglich halten, daß das karibische Greuelmärchen inszeniert worden ist, damit die Suche eingestellt wird. Ich mache einen Vorschlag: Wir jagen nun schon monatelang nach dem Mann, der die Toten der MELLUM auf dem Gewissen hat; was spricht dagegen, daß wir noch ein paar Tage drangeben?«
Dieser Abwägung mochte Maibohm sich nicht verschließen, und so stimmte er zu und ergänzte: »Dann müßte man wohl bei dem amerikanischen Skipper ansetzen.«
»Oder bei Frau Pohlmann«, sagte Thaden.
»Warum nicht bei beiden?« fragte Nielson. »Und dann sind da ja auch noch die vier oder fünf Dutzend Telefonbücher. Hat Thaden Ihnen davon erzählt?«
Maibohm nickte. »Hat er. Keine schlechte Idee! Ich könnte mich auch in so ein einzelnes Wort verbeißen.«
»Dann geh’ ich morgen hier zu Teléfonos de Mexico « , erklärte Nielson. »Vielleicht kommt ja was dabei heraus.«
»Sie tippen also«, fragte Thaden, »nach wie vor auf Mexiko?«
»Ja. Anfangs sagte ich Ihnen, das sei nur so ein Gefühl, aber eigentlich ist es mehr. Der Wagen, wissen Sie! Die schwarze Limousine, die da auf den Kai gerollt kam! Sie nahm den Flüchtigen auf, als wäre er ein Staatsmann. Ich hatte erwartet, er würde sich ein Taxi suchen und damit zum Bahnhof oder zum Flughafen brausen. Diese stinknoble Karosse mit Chauffeur und dunklen Scheiben … so was kann’s doch nur geben, wenn es von langer Hand vorbereitet ist. So ein Fahrzeug, das dann auch noch unmittelbar nach dem Festmachen des Schiffes, also pünktlich auf die Minute, zur Stelle ist, läßt auf einflußreiche Helfer schließen, die im Land sitzen; und auch darauf, daß der Bursche hier in ein fertiges Nest geschlüpft ist.«
»Klingt plausibel«, sagte Thaden, und Maibohm sagte: »Das finde ich auch. Es sieht nicht nach einer Zwischenstation aus, eher nach einem Hauptquartier.«
»Und danach müssen wir suchen!« Nielsons Worte klangen fast wie ein Triumph, und dann trug er zur Überraschung der beiden anderen sogar schon eine Strategie vor: »Wir haben drei Ansatzmöglichkeiten. Sie, Maibohm, machen einen Besuch bei Frau Pohlmann, sobald Sie wieder in Deutschland sind. Sie, Thaden, fliegen nach Cancún, und ich kümmer’ mich um die Telefonbücher. Allerdings … damit wäre ich schon in zwei bis drei Stunden fertig. Wir können es aber auch ganz anders machen: Alle drei sind an allen drei Aktionen beteiligt! Wir durchforsten morgen gemeinsam die Telefonbücher, fliegen anschließend zu Howard Foreman und dann nach Deutschland.«
»Ich bin für die zweite Methode«, sagte Thaden, und Maibohms »Ich denke genauso!« kam sofort hinterher.
»Darauf sollten wir«, sagte Nielson, »nun nicht gerade anstoßen, weil’s mit unseren klobigen Gläsern ein bißchen schwierig wäre, und es gäbe wohl auch keinen schönen Klang, aber wir sollten darauf trinken!«
Und das taten sie.
6
Am Abend waren sie im ARISTOS CANCUN eingetroffen. Mit seinen Tausenden von Lichtern hatte das gigantische Gebäude wie ein maurischer Palast gewirkt, aber am nächsten Morgen entpuppten die einzelnen Flügel sich als schmucklose, nüchterne Betonklötze. Die drei nebeneinanderliegenden Zimmer fanden jedoch ihre Zustimmung, ebenso die Lage des Hauses. Es war auf einer der schmälsten Stellen der Insel errichtet worden, unmittelbar an der Playa Chac Mol, einem nach dem Regengott der Mayas benannten Strandabschnitt. Auf der rückwärtigen Seite des Hotels lag die Lagune Bojórquez mit ihrem grünen Saum aus Mangroven.
Sie hatten bereits im Meer geschwommen und saßen nun auf Nielsons Balkon, tranken eisgekühlten Orangensaft und erörterten die Lage. Die letzten vierundzwanzig Stunden hatten ihnen nichts gebracht außer dem Ortswechsel, durch den sie knapp tausend Kilometer nach Osten versetzt worden waren.
Die noch in Veracruz vorgenommene Überprüfung der Telefonbücher war gescheitert. Heinrich Nielson hatte bei der Durchsicht des vierzehnten der winzig klein gedruckten Guías de Teléfono – es war der Band des Staates Jalisco mit der Millionenstadt Guadalajara – plötzlich den Wälzer zugeschlagen, ihn hochgehoben und mit solcher Wucht auf den Tisch zurückgeworfen, daß es knallte und die Umstehenden erschrocken
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