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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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die Tür des Eisschranks zugeschlagen wurde und kurz darauf auch die des Zimmers. Er legte das Handtuch über den Wannenrand, stellte die Zahnbürste zurück ins Glas und machte sich dann über den Koffer her.
Es war ein großer grauer SAMSONITE, der sich zwar öffnen ließ, aber leer war. Als er ihn wieder geschlossen hatte, entdeckte er am Griff das kleine lederne Namensschild, das mit einem Deckblatt versehen war. Er zog den Druckknopf auf und las den vermutlich aus einem Briefkopf oder einer Visitenkarte stammenden Text: Luise Pohlmann, 8180 Tegernsee. Und dann die Adresse. Er drückte den Knopf wieder zu, schob den Koffer zurück unters Bett, löschte das Licht, zog die Vorhänge auf, ging zur Tür. Dort wartete er eine Weile, lauschte, vernahm vom Korridor her keine Geräusche, trat hinaus und drückte hinter sich die Tür ins Schloß.
Auf dem Gang kam ihm ein Zimmermädchen entgegen. Er setzte sein charmantestes Lächeln auf und grüßte mit einem freundlichen » Buenos noches, señorita! « , was mit einem nicht minder freundlichen » Buenas noches, señor! « erwidert wurde.
Vor den Fahrstühlen warteten viele Gäste, und so nahm er den Weg über die Treppe, sprang mehr, als daß er ging. In der Halle mäßigte er dann seinen Schritt, und auch draußen ging er gemächlich.
Als er an seinem Tisch im Lorenzillo’s eintraf, waren die Seezungen gerade erst aufgetragen worden. Er sah auf die Uhr und stellte fest, daß er für seinen Erkundungsgang nur siebzehn Minuten gebraucht hatte. Er setzte sich und sagte: »Sie ist es!«
Und dann erzählte er, wieder im Flüsterton, wie er zu der für die weiteren Nachforschungen so bedeutsamen Information gelangt war.
Doch über seinem Bericht vergaßen sie nicht das Essen. Nach dem ersten Bissen geriet Nielson ins Schwärmen, und Thaden schwor, nie zuvor so köstlich zubereiteten Fisch gegessen zu haben. Als Maibohm alles erzählt hatte, sagte Nielson: »Ich sehe zwei Möglichkeiten. Entweder wird die Frau von ähnlichen Zweifeln geplagt wie wir und ist hier aufgekreuzt, um den Augenzeugen auszuhorchen, oder sie war von vornherein mit von der Partie, und das hieße dann wohl, daß das Vögelchen, das wir fangen wollen, ebenfalls in dieser Gegend herumschwirrt. Jedenfalls glaube ich, die Chancen, daß unser Mann noch am Leben ist, sind gestiegen.«
»Oder auch nicht.« Es war Maibohm, der diesen Einwurf brachte. »Vielleicht«, fuhr er fort, »hab’ ich eine zu miese Meinung von unseren Zeitgenossen, aber wenn man zwölf Jahre lang die Abgründe der Menschenseele ausgelotet und darüber berichtet hat, hält man grundsätzlich das Böse eher für möglich als das Gute. Was meint ihr zu folgender Version: Wenn …«
Der Kellner kam, nahm die leere Weinflasche vom Tisch und fragte, ob er eine neue bringen solle. Nielson nickte, und als der Mann wieder gegangen war, sagte er: »Herr Maibohm, eben hab’ ich es wieder bemerkt; Sie haben Schwierigkeiten, Ihren Freund und mich zusammen anzureden. Ihr ist natürlich falsch, aber andererseits können Sie nicht plötzlich dazu übergehen, Ihren Freund zu siezen. Sie, Herr Thaden, haben die gleichen Schwierigkeiten. Vier Tage quälen Sie beide sich nun schon mit diesem Problem herum, das wirklich ganz leicht zu lösen wäre.
Lösen wir es?«
Die beiden anderen lachten, und dann sagte Maibohm: »Sehr gern! Ist für mich’ ne Premiere. Bist der erste Käpt’n, zu dem ich Heinrich und du sage.«
Auch Thaden zeigte sein Einverständnis, indem er sein Glas hob. Alle drei hatten noch einen Rest Wein vor sich, und damit stießen sie an. Aber auch dann kam Maibohm noch nicht zu seiner Analyse, denn der Kellner erschien aufs neue an ihrem Tisch. Als er nachgeschenkt hatte und wieder gegangen war, sagte Thaden: »Du wolltest gerade ’ne Rede halten.«
»Ja. Wenn ich mir dieses einträchtige Duo so ansehe – ich will jetzt nicht rübergucken, aber vorhin erhaschte mein wachsames Auge sogar ein inniges Händchenhalten –, also, wenn ich den tagelangen Törn zu zweit und das zärtliche Dinner interpretieren soll und mir dabei vor Augen führe, daß der bei einer solchen Liaison in der Regel störende Dritte sehr passend verstorben ist und das sogar noch an oder auf oder vielleicht unter demselben Vergnügungsdampfer, auf dem die beiden so ausdauernd unterwegs sind, dann, ja, dann drängt sich mir die Vorstellung auf, ein zünftiger Gattenmord habe die Pohlmann-Affäre beendet. Wer weiß, vielleicht bumsen die beiden jeden Tag fröhlich in

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