1991 Atlantik Transfer (SM)
nämlich meine Idee bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fällt. Am besten komme ich sofort zur Sache! Ich bin einfach skeptisch, wenn einem weltweit gesuchten Gauner so was Schreckliches passiert wie Aufgefressen- oder Harpuniertwerden und er dann auch gleich seinen Kameramann zur Hand hat. Damit plag’ ich mich herum, seit ich von diesem spektakulären Tod weiß.« Als habe er nach dieser Eröffnung einen guten Schluck verdient, beugte er sich über sein bauchiges grünes Gefäß und begann, am Strohhalm zu saugen.
»Was?« Thaden sah den Kapitän fassungslos an. »Sie glauben nicht an die Geschichte?«
Und Maibohm sagte: »Das schreit geradezu nach einer weiteren Runde, und die geht auf meine Rechnung. Zu etwas Verrücktem gehört ein verrückter Drink.« Er rief nach dem Kellner und bestellte.
»Hab’ immer wieder sein Gesicht vor mir«, sagte Nielson. »Diese Augen! So was Heimtückisches! Nein, das ist nicht das richtige Wort. Eher verschlagen, durchtrieben, gerissen. Und wenn ich mir jetzt noch mal in Erinnerung rufe, wie er sich auf meinem Schiff aufgeführt hat, traue ich ihm alles zu. Und dann seine raffinierten Finanzmanöver! Die Mitarbeiter in seiner Firma und die Banker, mein Gott, das sind doch nicht durchweg Nieten, sondern Leute, die zu ihren Jobs gekommen sind, weil sie was können. Trotzdem gelang es ihm, sie reinzulegen, und also konnte er mehr als sie. Maibohm, Sie sind von der Zeitung, und soviel ich weiß, sind die Leute in Ihrer Branche doch auch eher skeptisch. Sie müssen Ihren Lesern täglich was Neues auftischen, aber ich nehme an, daß Sie bei mancher Story selbst Ihre Zweifel haben oder sogar genau wissen, daß sie von vorn bis hinten nicht stimmt. Mal ganz scharf nachgedacht, junger Freund: Haben Sie und Ihre Kollegen dieses Pohlmann-Grusical ohne Wenn und Aber geschluckt?«
»Na, Sie scheinen ja keine gute Meinung von uns zu haben.«
»Sagen wir, eine gemischte. Immerhin ist durch Ihre Initiative die CAPRICHO gefunden worden. So etwas verdient schon mal Respekt.«
»Aber der wirklich Schuldige«, antwortete Maibohm, »ist uns durch die Lappen gegangen, und so, wie es aussieht, ist er ein bißchen zu weit weg, als daß wir ihn noch einholen könnten.«
Die Getränke wurden gebracht. Nachdem der Kellner wieder gegangen war, sagte Nielson: »Okay, Sie schlucken die Geschichte offenbar. Und wie ist es mit Ihnen, Thaden? Haben auch Sie keine Zweifel?«
Thaden antwortete nicht gleich. Erst als Nielson mit einem kurzen, fast herausfordernden »Na?« noch einmal nachfragte, erwiderte er:
»Wenn wir neulich von den Millionen amerikanischer Quadratkilometer gesprochen haben, die er fürs Untertauchen zur Verfügung hatte, und wir es sogar für möglich hielten, daß er Sie mit dem Doppelkontinent nur geblufft hat, und wir jetzt auch noch davon ausgehen müssen, daß es ihn aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht mehr gibt, dann … ja, dann hab’ ich meine Zweifel, ob das Weitersuchen sinnvoll wäre.«
»Danach hab’ ich Sie nicht gefragt. Ich hab’ gefragt, ob Sie keine Zweifel an der Todesnachricht haben.«
Wieder kam Thadens Antwort nicht sofort, doch nach einigem Überlegen erklärte er: »In einem Punkt muß ich Ihnen zustimmen. Ein Mann mit viel Phantasie und mit ebensoviel Tatkraft könnte wirklich einen so makabren Plan aushecken und ihn dann auch realisieren. Und daß Pohlmann diese beiden Eigenschaften hatte oder meinetwegen auch hat, steht ja wohl fest.«
»Sehr gut! Ich bin also nicht ganz allein mit meiner Meinung, daß ein Kerl mit solcher Chuzpe auf die Idee kommen kann, einen Horrorfilm über seinen eigenen Tod drehen zu lassen, damit die Nachwelt ihn ein für allemal in Ruhe läßt.«
»Wie sicher sind Sie eigentlich«, fragte Maibohm, »daß es sich bei Ihrem Passagier tatsächlich um Ernst Pohlmann gehandelt hat?«
»Sicherer denn je. Mir ist da nämlich noch was eingefallen. Als es ihm darum ging, die Rettung zu verhindern, betonte er, daß es sich bei dem untergehenden Schiff schließlich um ein deutsches handelte und also viele Deutsche auf die CAPRICHO kommen würden, nicht nur Besatzungsmitglieder, sondern später dann noch die Presse und die Leute von der Botschaft.
Dem einen oder anderen könnte sein Foto bekannt sein, sagte er. Schon das spricht dafür, daß es Pohlmann war, denn so viele untergetauchte Deutsche, deren Fotos durch die Medien geistern, gibt es ja nicht. Hinzu kommt meine eigene Erinnerung, die immerhin auch auf die Kenntnis solcher Pressefotos
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