1991 Atlantik Transfer (SM)
Rache.«
»Mag sein. Aber da wir beim Thema sind: Du und ich und ebenso Maibohm, wir drei wissen genau, daß ich mitschuldig bin. Du willst Pohlmann, weil er deine Frau und deinen Jungen auf dem Gewissen hat. Ich will ihn aus demselben Grund und wegen der neunzehn anderen. Nur kommt bei mir noch etwas hinzu. Ich will ihn, weil er mir meine Schuld aufgezwungen hat.«
Nach diesen Worten schwiegen sie eine ganze Weile, hingen ihren Gedanken nach. Schließlich sagte Thaden: »Im Notfall machen wir uns nicht nur an Luise Pohlmann heran, sondern auch an den Skipper in Cancún.«
»Klar! Dafür würde ich sogar die CAPRICHO allein Weiterreisen lassen.«
»Wann legt sie eigentlich in Veracruz an?«
»Donnerstag vormittag, sofern ihr kein Sturm in die Quere kommt. Wenn der über den Golf fegt, kann’s länger dauern.
Hast du damals, vor zwei Jahren, von dem Hurrikan GILBERT gehört? Wir fuhren von Corpus Cristi nach Buenaventura und waren mitten im Golf, da hatten wir ihn plötzlich um die Ohren. Und das auf der CAPRICHO! Anderthalb Tage wurden wir gebeutelt, kamen einfach nicht raus aus dem Hexenkessel. Unsere Ladung machte sich selbständig. Maschinenteile. Sie sausten hin und her, und bei jedem Schlag fragten wir uns, ob die Schiffswand nun wohl aufgerissen war. Aber es ging dann doch alles gut. Ich staune immer wieder, was dieser alte Zossen, wenn’s drauf ankommt, noch aushaken kann. Die Krängung lag bei über vierzig Grad, und wer sich nicht festhielt, flog durch die Gegend. Na ja, so weit wollte ich eigentlich gar nicht ausholen. Also, wenn mein Schiff sich jetzt wieder einen Sturm einfängt, kann es auch Freitag oder Sonnabend oder sogar Sonntag werden, bis es ankommt.«
Thaden war Nielsons Bericht zunächst aufmerksam gefolgt, aber am Ende hatte er dann doch nicht die CAPRICHO, sondern die MELLUM im Kopf, und die Ladung bestand aus Bauxit, und der Sturm tobte zweitausend Meilen nordöstlich vom Golf, und er selbst saß auf dem schwankenden Rumpf.
Pepe ließ auf sich warten. Nielson und Thaden schätzten, daß er die Madrugada gegen neun Uhr erreicht hatte. Mittlerweile war es halb zwölf geworden, und das stimmte sie zuversichtlich, denn Pepe hatte, bevor er losfuhr, zu ihnen gesagt:
»Wenn ich um zehn Uhr zurück bin, haben die mich gar nicht erst reingelassen. Wenn es elf wird, bis ich wiederkomme, kann es geklappt haben. Zwölf wäre noch besser. Dann hätte ich da bereits liebe Freunde gewonnen. Ab zwei Uhr sähe es schon wieder kritisch aus. Dann könnte es nämlich sein, daß sie mich dabehalten haben, vielleicht, weil sie meinen, ich wäre der Dieb von der vorletzten Nacht. Allerdings ist mir Maibohms Pullover mindestens drei Nummern zu groß, Gott sei Dank!«
Um zwanzig Minuten nach zwölf war er da. Sie hörten seinen Zweitonner auf den kleinen Parkplatz des Hotels fahren und liefen sofort hinaus. Ein nachdenklicher Pepe kam ihnen entgegen. Jedenfalls sah er so aus. Nielson aber kannte ihn und wußte, daß er gern seine Späße machte, verhielt sich also abwartend, während Thaden beim Anblick des kleinen Mexikaners an einen Mißerfolg glaubte. Und dann hörten sie:
»Es sind nicht seine Augen, es sind nicht seine Haare, es sind nicht seine Klamotten …«, plötzlich grinste Pepe übers ganze Gesicht, und seine Augen strahlten, »aber ich schwöre euch, er ist es!«
Sie sprachen englisch, vermieden die Namen Hamilton und Morro und Wörter wie madrugada und hacienda, sagten statt dessen der Mann und sein Vertreter und die Ranch, jedenfalls, als sie noch in der Gaststube waren. Doch dann zogen sie sich für den ausführlichen Rapport in Nielsons Zimmer zurück, nahmen, um nicht gestört zu werden, genügend Getränke mit.
Da es nur zwei Stühle gab, setzte Nielson sich aufs Bett, und die beiden anderen rückten in seine Nähe. Die Bierflaschen und die Gläser hatten sie auf den Fußboden gestellt.
»Mit Gesichtern«, begann Pepe, »ist das so eine Sache. Ich hatte mir seins ja lange genug auf euren Zeitungsausschnitten angesehen, und als ich dann in der großen Halle saß und der Mensch mir unter die Augen kam, suchte ich in seiner Visage nach den Merkmalen, die ich mir eingeprägt hatte. Und fand sie nicht.
Dann aber, schon nach ein paar Minuten, war da plötzlich ein Ausdruck, der genauso war wie auf einem der Fotos. Beschreiben kann ich den nicht, weil’s eben nicht die Einzelheiten waren, sondern das Totale in einem ganz bestimmten Moment. Von da an hatte ich keinen Zweifel mehr. Und
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