1991 Atlantik Transfer (SM)
ich mir natürlich darüber im klaren war, daß seine krummen Geschäfte andere Dimensionen hatten als meine. Ich empfand ihm gegenüber eine gewisse Solidarität. Ja, bis dann die Sache mit der MELLUM passierte …«
»Nielson!«
Der halblaute Ruf kam von nebenan. Die beiden lauschten, und bald hörten sie erneut, etwas lauter diesmal: »Nielson!«
»Es ist soweit«, sagte Thaden.
Sie standen auf. Nielson schloß die Tür zum Gang ab, klappte dann die Zierleisten um und öffnete die bodega, in der sie das Licht hatten brennen lassen.
Sie traten ein. Nielson setzte sich auf den Stuhl, Thaden blieb stehen. Pohlmanns Fesseln waren an die schweren Metallringe geknotet, die im Fußboden saßen und sonst zum Verzurren der Ladung dienten. Pohlmann trug noch immer den zerknitterten hellen Anzug und das schmutzige Seidenhemd. Aber im Gesicht sah er jetzt erstaunlich frisch aus.
»Sie haben es also geschafft!« Seine Worte kamen knapp und klar, ließen keinerlei Emotionen vermuten.
»Ja«, antwortete Nielson, »und es war ein hartes Stück Arbeit.«
»Mich interessiert, wie Sie es geschafft haben. Ich hatte doch alles Erdenkliche an Sicherungen eingebaut.«
»Das ist eine abendfüllende Geschichte, zu lang, um sie jetzt zu erzählen. Nur soviel: Ehe die Suche nach Ihnen begann, suchte jemand nach mir oder, besser gesagt, nach meinem Schiff, der CAPRICHO, weil sie, obwohl ganz in der Nähe, den Schiffbrüchigen der MELLUM nicht zu Hilfe gekommen war.« Nielson zeigte auf Thaden. »Es war dieser Mann, der sich auf die Suche machte und schließlich Erfolg hatte. Er fand mein Schiff. Den Grund, warum er es gesucht hat, sollen Sie auch erfahren.
Seine Frau und sein sechsjähriger Junge sind im Atlantik ertrunken. Das hat er nicht hinnehmen wollen. Ja, und ich dann auch nicht.«
Es dauerte lange, fast eine ganze Minute, bis Pohlmann darauf erwiderte: »Es tut mir leid, wirklich! Wir sprechen noch darüber, aber jetzt hätte ich gern was anderes abgeklärt. Es ist verdammt heiß hier, und ich …«
»Wir sind ja auch noch im Golf.«
»Ich will mich waschen.«
»Kommt alles«, sagte Nielson.
»Noch etwas! Wir sind auf See, und ich kann Ihnen nicht entkommen. Was spricht also dagegen, daß Sie mir die Fesseln abnehmen, damit ich mal ein paar Schritte in diesem Käfig machen kann?«
»Dagegen spricht, daß Sie schon einmal aus diesem Käfig ausgebrochen sind. Die Fesseln bleiben.«
»Er hat noch kein Wort geredet«, Pohlmann zeigte auf Thaden. »Sammelt er sich für die Strafpredigt, die er mir halten will?«
»Ironie paßt nicht zu Ihrer derzeitigen Rolle«, sagte Thaden.
»Ich will Ihnen keine Strafpredigt halten; das werden andere tun, drüben in Deutschland. Aber ich hab’ eine Frage: Nicht um sich das Leben, sondern um sich das Wohlleben zu erhalten, haben sie einundzwanzig Menschen in den Tod geschickt.
Ist das nicht ein viel zu hoher Preis?«
»Eine gute Frage«, sagte Nielson.
»Sie ist falsch gestellt«, sagte Pohlmann. »Ich hab’ von diesem Preis nichts gewußt, hab’ nicht damit gerechnet, daß jemand umkommen würde. Ich bin kein Verbrecher!«
»Und warum werden Sie dann weltweit gesucht?« fragte Thaden.
»Also, die Sache mit dem Konkurs war … ja, die war eher artistisch, und alles Weitere diente nur meiner Sicherheit. Was die MELLUM betrifft, so hab’ ich an eine Rettung der Schiffbrüchigen von anderer Seite geglaubt. Ich könnte nicht mutwillig töten, niemals!«
»Doch!« fuhr Nielson ihn an. »Sie waren bereit, meinen Funker über den Haufen zu schießen.«
»Das war nur eine Drohung. Mein Gott, Nielson und … wie heißen Sie eigentlich?«
»Er heißt Jacob Thaden«, sagte Nielson, »und seine Frau und sein Sohn hießen Sigrid und Arndt Thaden.«
»Also, ich will Ihnen beiden mal was sagen! Mein Wissen, meine Fähigkeiten, mein Besitz, das alles ist mir nicht in den Schoß gefallen; dafür hab’ ich hart gearbeitet. In der Natur setzt das Starke sich durch, und in der menschlichen Gesellschaft ist es ganz genauso. Der Starke steigt auf, der Schwache unterliegt.
Nur wer mit allen verfügbaren Mitteln kämpft, wird zum Gewinner, und …«
»Danach sehen Sie aber im Moment nicht aus«, unterbrach ihn Thaden.
»Warten Sie doch ab, junger Mann! Im Hintergrund hab’ ich noch immer große Macht und bin also in der Lage, Ihnen, die Sie jetzt Macht über mich haben, mit einem Angebot gegenüberzutreten. Auch Sie beide gehören zur Elite, haben Ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt, indem Sie mich nicht nur
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