1991 Atlantik Transfer (SM)
und schlaff. Der elegante hellgraue Anzug war verschmutzt, und auch das weiße Seidenhemd zeigte häßliche Flecken. Unter dem linken Jackenärmel guckte ein goldener Manschettenknopf mit eingestanztem Aztekenkalender hervor. Die Schuhe, weiße Slipper aus sehr weichem Leder, standen auf dem Fußboden.
Hattest dir ein so schönes neues Leben auf deiner Hacienda eingerichtet, dachte er. Aber damit ist es nun aus. Sigrid und Arndt und all die anderen sind dir dazwischengekommen.
Er sah auf die Uhr. Es war soweit, um drei sollte er Nielson wecken. Er trat an das andere Bett.
»Hallo, Käpt’n!«
»Ja, was ist?«
»Aufstehen!«
Nielson kam hoch, reckte sich. »Ist es schon drei?«
»Ja.«
»Was ist mit ihm?«
»Er schläft.«
»War er zwischendurch mal wach?«
»Ja, aber er kippte sofort wieder weg.«
»Dann hast du noch nicht mit ihm geredet?«
»O nein! Das mach’ ich erst, wenn ich ganz sicher bin, daß sein Kopf wieder klar ist.«
Sie gingen vor die Tür und weiter bis zum Flutsaum. Nielson wusch sich das Gesicht, und dann sagte er: »Ich fahr’ jetzt nach Veracruz, muß zum Hafenamt und auch zur Agentur. Da wird man mir sagen können, wann mein Schiff ankommt.«
»Okay.«
»Aber was machen wir bloß mit Pohlmann? Viel Zeit haben wir nicht mehr.«
»Ich meine, du solltest von Veracruz aus mit dem BKA in Wiesbaden telefonieren. Sagst denen, daß wir ihn haben, ihn aber der hiesigen Polizei nicht ausliefern wollen. Redest ganz offen mit unseren Leuten. Vielleicht schicken sie jemanden rüber, und dann läuft die Sache von deutscher Seite aus an.«
Nielson wiegte den Kopf. »Gefällt mir nicht, weil auch in einem solchen Fall zuerst die Mexikaner am Zuge sind. Überleg doch mal, Pohlmann soll mehr als eine Viertelmilliarde Dollar beiseite geschafft haben! Damit könnte er ein ganzes Heer von mexikanischen Beamten zu Millionären machen und dann immer noch leben wie Gott in Frankreich.«
»Hast du mal daran gedacht, daß wir die ersten sein werden, die er zu bestechen versucht? Er wird sagen: Jungs, ihr kriegt jeder zehn oder zwanzig Millionen Dollar, und dafür laßt ihr mich laufen. Bist du käuflich?«
Nielson lachte. »Natürlich, das weißt du doch. Und überhaupt, wer ist das nicht? Aber alles hat seine Grenzen. Ich werde nie vergessen, wie ich dir auf der CAPRICHO Olafs Bild gezeigt hab’. Das ist mein Sohn, hab’ ich gesagt und dir dann meine Geschichte erzählt. Ich dachte: So, das wird ihn beeindrucken.
Und dann kamst du mit deinem Bild und mit deiner Geschichte, und das hat mich umgekrempelt.«
Thaden malte mit dem Fuß das Dollarzeichen in den Sand, wischte es wieder weg, hielt den Blick aber weiterhin gesenkt:
»Ich krieg’ im Winter eine Million Mark von der Versicherung.
Wie wär’s, wenn wir damit irgendwas Neues aufbauen? Vielleicht ein gebrauchtes Kümo kaufen oder ein Elbfährschiff? Ich könnte meinen Betrieb verpachten; ist sowieso nicht mehr der, der er mal war. Außerdem glaub’ ich, ich komm’ von den Schiffen nicht wieder los, obwohl das Gegenteil viel einleuchtender wäre: daß ich keine mehr sehen kann. Ich weiß nicht, warum das so ist. Vielleicht, weil es ein Schiff war, auf dem ich Sigrid und Arndt zuletzt bei mir hatte.« Jetzt erst hob der den Kopf und sah Nielson an.
»Das wäre …«, Nielson suchte in seinen Taschen nach den Zigaretten, fand eine völlig zerdrückte Schachtel, steckte sie wieder ein, begann von neuem: »Das wäre … phantastisch!« Er schluckte, schwieg eine Weile, fuhr dann fort: »Mir scheint, so ein gemeinsames Kidnapping verbindet.«
Thaden lachte. »Vor allem, wenn man dann dasteht und nicht weiß, wohin mit dem Kerl!«
Sie gingen zur Hütte. Pohlmann lag in tiefem Schlaf. Nielson ließ sich den Autoschlüssel geben. »Brauchen wir irgend etwas aus der Stadt?«
»Eis. Kauf doch einen ganzen Klotz oder einen Sack Würfel! Ein bißchen wird schon noch nachgeblieben sein, wenn du zurück bist, und dann kühlen wir unsere lauwarmen Getränke.«
»Okay.«
Nielson blieb lange weg, aber Thaden machte sich keine Sorgen. Vielleicht hat er alte Bekannte getroffen, dachte er, oder er steht am Hafen und sieht sich endlich mal wieder Schiffe an.
Er saß vor der Tür und beobachtete durchs Fernglas die Möwen, die hinter der nur schwachen Brandungswelle ihre Kreise über dem Golf-Wasser zogen, dann und wann im Sturzflug niedersausten und mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder aufstiegen. In der Ferne sah er drei kleine Schiffe. Sicher waren es
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