1991 Atlantik Transfer (SM)
zwei Minuten, aber da war nichts zu hören. Also zum Store! Er öffnete ihn, trat ein, machte die Tür hinter sich zu und schaltete das Licht an. Er stieg auf die Leiter und arbeitete sich vor bis an das Lüftungsgitter. Es war nicht so groß, daß es als Durchschlupf hätte dienen können, aber ein Blick hinter die Wand würde möglich sein. Behutsam drehte er an den vier Ecken die Schrauben heraus, und dann zog er das Sieb aus der Wand, legte es neben sich ab, kroch noch ein Stück voran, schob den Kopf durch die Öffnung, brachte, wenn auch unter Mühen, die Hand mit der Taschenlampe hindurch und leuchtete hinunter.
Fast hätte er die Lampe fallenlassen, so sehr erschreckte ihn, was er sah. Ein an Händen und Füßen gefesselter Mann starrte nach oben, hatte offenbar gebannt das spukhafte Geschehen verfolgt.
»Hallo, Mister!« Conally flüsterte seine Worte, und der Mann antwortete ebenso leise:
»Wer sind Sie? Ich kann Sie nicht sehen.«
Für einen Moment beleuchtete Conally sein eigenes Gesicht.
»Ich bin der Steward«, sagte er. Der Lampenstrahl ging wieder nach unten.
»Wie heißen Sie?«
»John Conally.«
»Hören Sie, John, man hat mich in Mexiko überfallen, gekidnappt und an Bord geschleppt. Nielson hat das gemacht, und ein Deutscher hat ihm dabei geholfen. Ich will hier raus, und ich will von Bord. Wo sind wir jetzt?«
»Im Golf.«
»Ich muß erreichen, daß das Schiff nach Veracruz zurückfährt.
Das klingt verrückt, aber wenn ich die Mannschaft auf meine Seite kriege, kann es klappen. Ich bin einer der reichsten Männer von Mexiko und werde jeden, der mir hilft, fürstlich belohnen. Wie viele Leute sind auf dem Schiff?«
»Mit Nielson und dem Passagier zweiundzwanzig.«
»Jeder, der sich auf meine Seite schlägt, kriegt eine halbe Million Dollar, und Sie bekommen eine ganze.«
Conally stockte der Atem. Eine Million Dollar allein für ihn? Heaven, eine Million! »Was soll ich tun?«
»Beschaffen Sie mir ein Messer! Damit bring’ ich Nielson in meine Gewalt, gleich morgen früh, und Sie müssen bis dahin mit den Leuten geredet haben.«
»Das geht nicht so schnell.«
»Muß es aber. Wir sind sonst zu weit weg von der Küste.«
»Okay, ich hol’ das Messer.« Er legte die Lampe ab, kroch zurück, ließ sich vom Regal herunter, immer darauf bedacht, jedes Geräusch zu vermeiden. Er öffnete die Tür, schlich in die Pantry, nahm das Brotmesser aus der Besteckschublade. Es hatte eine etwa zwanzig Zentimeter lange Klinge. Auf dem Rückweg lauschte er noch einmal an Nielsons Tür, hörte nichts, setzte seinen Weg fort, war gleich darauf wieder im Store. Sollte er das Messer einfach runterwerfen? Nein, besser an einem Band nach unten lassen! Er sah sich um. Da, der verschnürte Karton! Mit vor Aufregung zitternden Händen löste er den Knoten. Ja, die Länge würde ausreichen. Er umwickelte den Griff des Messers mit der Schnur, machte eine Schlaufe, zog sie fest und stieg auf die Leiter. Gleich würde er es geschafft haben.
Daß sein Vorgehen Meuterei war, kam ihm nicht in den Sinn; auch nicht, daß es schwer sein würde, die anderen in so kurzer Zeit auf seine Seite zu ziehen. Er hatte nur einen einzigen Gedanken, und der hieß: eine Million Dollar! Jetzt war er oben. Er steckte die eingeschaltete Taschenlampe in den Mund und zwängte seinen Kopf durch die Öffnung, ließ das Messer herunter. Er beobachtete, wie der Mann sich von seinen Fesseln befreite und dann aufstand.
»Ich mach’ hier lieber kein Licht«, hörte er ihn flüstern. »Die andere Wand hat auch ein Gitter, und vielleicht steht die Tür zu seinem Schlafzimmer offen. Dann kann er das Licht von seinem Bett aus sehen.«
»Kann er nicht; er müßte schon um die Ecke gucken. Außerdem schläft er. Aber wenn Sie wollen, laß ich Ihnen meine Taschenlampe da.«
»Sehr gut.«
Conally reichte sie herunter. Der Mann nahm sie, leuchtete nach oben und sagte: »Verlassen Sie sich darauf, Sie bekommen Ihr Geld, sobald wir wieder in Mexiko sind! Eine Million Dollar! Und jeder andere, der mitmacht, eine halbe. Aber ich hab’ noch eine Frage: Hat Nielson eine Waffe?«
»Ja, in seinem Schreibtisch liegt ein Revolver. Mister, ich verschwinde jetzt.« Conally kroch ein Stück zurück, schraubte das Gitter wieder an, kletterte nach unten und machte Ordnung im Store. Dann schlich er in sein Logis, legte sich angezogen auf die Koje.
Schlafen konnte er nicht. Die Sache mit dem Messer war ja ganz einfach gewesen, aber nun mußte er sich überlegen,
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