1991 Atlantik Transfer (SM)
PAN-AM-Stewardeß, mit der er ebenfalls eine Nacht verbracht hatte, allerdings ohne ihr sein Leben zu erzählen.
Er drehte sich um, sah achteraus. Da war immer noch der kleine weiße Flitzer, den er schon vor einer halben Stunde im Kielwasser der CAPRICHO entdeckt hatte und der, wenn er wollte, bestimmt seine dreißig Meilen machen konnte. Vielleicht, dachte er, hat er ’ne defekte Maschine und stottert sich langsam nach Hause.
Er wandte sich wieder nach vorn, wo jetzt das Lotsenboot angeschaukelt kam. Es dauerte noch einige Minuten, bis es längsseits ging. Der Ami kletterte über die heruntergelassene Leiter an Bord und stieg auf die Brücke. Nun ging es wieder etwas schneller voran, und bald darauf war schon die New-Orleans-Bridge zu erkennen, die sich in einem gewaltigen Bogen über den Fluß spannte.
Nielson warf einen Blick nach Backbord, sah zum Ufer hinüber, und noch einmal mußte er an jenes Ereignis denken, das ihn damals so erschüttert hatte: Olaf am Kanal, auf Zehenspitzen stehend, so, als brächten ihn die drei Zentimeter dem Vater noch ein Stück näher, Herz und Hals voller Jubel. Er hatte sogar die zarte, helle Stimme im Ohr. Doch an diesem Ufer war niemand. Da standen nur die Kühlhäuser der UNITED FRUIT COMPANY.
Um vier Uhr erreichten sie den Hafen, hielten auf den Kai zu, wo die Männer fürs clearing und die Zollbeamten bereits warteten. Die werden auch immer dreister, dachte er, kommen jetzt schon in der Stärke einer Fußballmannschaft.
Als die Gangway unten war, stiegen die Amerikaner an Bord, und sein Traum von einem nächtlichen Streifzug durch die Straßen von New Orleans war vorerst ausgeträumt. Er begriff es, als die Männer nähergetreten waren. Nur drei von ihnen kamen wegen des Einklarierens; sie gingen in die Messe, machten sie zu ihrem Office und spielten Einwanderungsbehörde, indem sie die Musterrolle verlangten und dann jedes einzelne Besatzungsmitglied zur Vorlage der Personalpapiere an ihren Tisch zitierten. Die anderen entpuppten sich als Beamte des Rauschgiftdezernats. Sie wurden angeführt von einem Einsatzleiter, der etwa einssiebzig groß und um die fünfzig Jahre alt war, links nur ein halbes Ohr hatte, sich mit dem Namen Jefferson vorstellte und ihm erklärte, es bestehe der dringende Verdacht, daß die CAPRICHO fünfzig Kilo Kokain an Bord habe.
Seine Männer würden daher die very old lady von Kopf bis Fuß durchsuchen und ihr auch unter die Röcke sehen. Sie standen noch immer auf der Nock, und ohne Nielsons Antwort abzuwarten, gab Jefferson seinem Begleiter, der mit ihm auf die Brücke gekommen war, Anweisungen, wie er die Männer aufzuteilen habe. Nielson beobachtete unterdessen, daß jetzt auch noch ein Mannschaftswagen voller uniformierter Polizisten auf dem Kai vorfuhr.
»Ich protestiere ganz entschieden gegen diese Maßnahme! Mein Schiff ist sauber!« sagte er zu Jefferson.
»Das wird sich zeigen.«
»Und wer bezahlt meiner Reederei den Zeitausfall und den Schaden, den Ihre Leute womöglich anrichten?«
»Der Verursacher. Wenn nichts gefunden wird, wir. Andernfalls Sie. Ich vermute, Sie werden es sein.«
Die Arroganz des Mannes brachte Nielson auf, aber er wußte, daß er nichts machen konnte, und so schlug er einen versöhnlichen Ton an: »Ich wette mit Ihnen um zwanzig Flaschen Whisky, daß Sie nicht ein einziges Gramm von dem Zeug auf meinem Schiff finden.«
Jefferson wollte von dieser geselligen Variante seines Jobs nichts wissen, lachte nur und schüttelte den Kopf.
Nielson warf einen Blick über sein Schiff, sah die ausschwärmenden Zivilbeamten, denen sich jetzt die uniformierten Polizisten anschlossen. Auf dem Kai stand ein Posten an der Gangway; also durfte kein Besatzungsmitglied von Bord.
»Wirklich, Sie suchen vergebens«, sagte er, »aber es wird lange dauern, und darum warten wir lieber in meinem Salon.«
Sie gingen nach unten, und als sie sich am Tisch gegenübersaßen, sagte er noch einmal: »Mein Schiff ist sauber!« Und dann fragte er: »Wie sind Sie überhaupt zu Ihrem Verdacht gekommen?«
»Wir haben unsere V-Leute«, erwiderte Jefferson nur.
Nielson war sicher, der Hinweis stammte aus Cartagena, und dem Informanten war entgangen, daß die Sendung gar nicht an Bord gelangt war.
Nach etwa einer Stunde kam einer der Beamten in den Salon und verkündete seinem Vorgesetzten: »Wir haben es! Lag auf dem Boden eines Öltanks. Fünfzig Kilo.«
Nielson verschlug es die Sprache. Einen Moment lang dachte er an jenen üblen Trick, von dem er
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