1991 Atlantik Transfer (SM)
als in Kolumbien, allein schon wegen der Sprache. Vielleicht würden die Kolumbianer sogar versuchen, uns mit ihrem manana, manana abzuspeisen. Stell dir vor, wir haben sie trotzdem endlich soweit, daß sie sich diesen Nielson vorknöpfen wollen, und die CAPRICHO ist gerade abgedampft! Dann stehen wir da und gucken dumm übers Meer.
Also New Orleans!«
ZWEITER TEIL
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Heinrich Nielson befand sich mit seiner CAPRICHO am nördlichen Rand des Golfs von Mexiko, und für diese Reise, die vom kolumbianischen Hafen Cartagena nach New Orleans ging und nun fast zu Ende war, hatte er keine heiße Ware an Bord genommen. Er hatte also auch keinen neuen Posten in seiner privaten Bilanz verbuchen können, und dennoch fühlte er sich zufriedener als mit gefüllter bodega. Der Laster, der das Kokain zur Küste hatte fahren sollen, war von Regierungstruppen beschlagnahmt worden. Das kam schon mal vor, brachte aber das Geschäft der großen Bosse nicht ernstlich in Gefahr, da derlei Verluste nur einen verschwindend geringen Teil darstellten im Vergleich zu den Mengen, die die Endverbraucher unangefochten erreichten. Zum Glück war aus den als Tarnung verwendeten Kaffeepäckchen nicht hervorgegangen, für welches Schiff die Sendung bestimmt war, und der Lkw-Fahrer schien geschwiegen zu haben, denn sonst hätten die Fahnder das Auslaufen verhindert. Es war nur ein Bote gekommen, ein junger Kolumbianer, um la pequena desgracia, das kleine Malheur, zu melden.
Ja, Nielson war glücklich, endlich mal wieder eine saubere Reise zu machen. Es erinnerte ihn an die Jahre, in denen alles noch einigermaßen sauber gewesen war, angefangen bei seinen Schiffen, fortgeführt über die Uniform und die Fingernägel bis hin zur Moral. Damals war er über die Meere gefahren in dem Bewußtsein, den Spuren seiner Väter zu folgen, und das war eine große Sache gewesen, Auszeichnung und Verpflichtung zugleich. Das Leben, oder wie man die vielen von außen eingreifenden Tücken sonst nennen mochte, hatte ihm dieses Hochgefühl längst genommen.
Es war Mittag. Er hatte in der Messe gegessen, war danach auf die Brücke gegangen und schritt seit einer halben Stunde die Nock ab, immer hin und her, und obwohl er seit sechs Tagen, nämlich seit der Abfahrt von Cartagena, so heiter gewesen war, kam er nun doch ins Grübeln, und dann dauerte es nicht lange, bis er sich mit alten Erinnerungen plagte.
Seine Ehe war ein Fiasko gewesen. Schon nach wenigen Jahren führte Tina sich auf, als wäre sie sein Reeder. In allem hatte er sich zu fügen, und zuletzt wollte sie ihm sogar vorschreiben, wie er mit seinem Schiffsvolk umzugehen habe. Mehr und mehr wurde ihm das Nachhausekommen zur Qual, und schließlich ging er dazu über, ihr hin und wieder falsche Auskünfte über seine Fahrtrouten zu geben. So konnte er, wenn er einen belgischen, holländischen oder gar deutschen, jedenfalls einen von seinem Wohnort Kiel nicht weit entfernten Hafen anlief, an Bord bleiben, statt für ein paar Tage oder Stunden nach Hause zu fahren. Es tat ihm allerdings jedesmal in der Seele weh, daß er dann auf seinen kleinen Jungen verzichten mußte.
Er fuhr zu jener Zeit als Erster Offizier auf einem kanadischen Schiff, dem achttausend Tonnen großen Massengutfrachter MANITOBA, und daher war der Kontakt zwischen Reederei und Seemannsfrau nicht ohne weiteres gegeben. Tina sprach kein Englisch, und außerdem war sie mittlerweile knauserig geworden, so daß sie sich Telefonate nach Übersee versagte. Als die Scheidung schon beschlossen war und sie wieder sachlich miteinander reden konnten, hatte sie ihm erzählt, wie ein nach ihrer Meinung besonders drastischer Fall seines Verrats auf sie gewirkt habe, und ihre Schilderung war so anschaulich gewesen, daß er sich noch heute bis in die Einzelheiten daran erinnerte.
Ein Junitag des Jahres 1967. Tina, fünfunddreißig Jahre alt und schön anzusehen, sobald sie das Herrschen seinließ, Bewohnerin eines Einfamilienhauses im Kieler Vorort Wellingdorf, hatte ihren Olaf von der Schule abgeholt und wollte das Mittagessen zubereiten. Da erschien Nora Sanders, Freundin, Nachbarin und ebenfalls Seemannsfrau, mit dem Vorschlag, den schönen Sonnentag zu nutzen für eine Fahrt an den Graben. So nannten die Frauen den Nord-Ostsee-Kanal, denn Heinrich Nielson und Meinhard Sanders, der bei einer Hamburger Tanker-Reederei fuhr, hatten, wenn sie im privaten Kreis über ihre berufliche Zukunft sprachen, immer wieder betont, sie würden niemals den von vielen
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