1991 Atlantik Transfer (SM)
gehört hatte: Die Fahnder kehren das Unterste zuoberst, und in dem ganzen Durcheinander gelingt es ihnen, das, was zu finden sie sich vorgenommen haben, erst mal zu verstecken, um es später mit allen gespielten Anzeichen der Überraschung und des Triumphes hervorzuholen. Doch dann verwarf er diese Möglichkeit. So etwas konnte man mit ein paar Heroin-Briefen veranstalten oder mit einer Tafel Afghan, vielleicht noch mit einem Kilopaket Koks, aber nie und nimmer mit einem ganzen Zentner Stoff, zumal die Öltanks verschlossen waren und ihre Deckel nur mit viel Mühe geöffnet werden konnten. Was war geschehen?
»Das … das kann nicht sein!« sagte er, doch es klang halbherzig.
»Kommen Sie mit! Überzeugen Sie sich!« Jefferson stand auf.
Er und Nielson und auch der Mann, der die Meldung überbracht hatte, stiegen hinunter in den Maschinenraum. Das waren viele Treppen, zunächst die bis zum Hauptdeck und dann noch einmal drei Stockwerke durch Hitze und Öldunst.
Und ganz unten, auf den Flurplatten über dem Doppelboden, standen die fünf Männer, die fündig geworden waren. Sie bildeten einen Halbkreis um ihre Beute, zwei geöffnete und acht noch verschweißte Kanister. Für einen Moment hatte Nielson die Vorstellung von Jägern, die für ein Foto um das erlegte Wild versammelt waren. Ihn packte die Wut. Da hatte er sich gefreut, endlich mal wieder ein sauberes Schiff zu fahren, und mußte nun feststellen, daß auch seine Untergebenen das monkey business betrieben! Hinter seinem Rücken! Aber wer war es? Und wie würde die Sache ausgehen? Würde man ihm, dem Schiffsführer, glauben, daß er von diesen verdammten Kanistern nichts gewußt hatte? Wahrscheinlich nahm man ihn jetzt in Haft und seine Männer vielleicht auch. Es wäre nicht das erste Mal, daß eine ganze Besatzung eingebuchtet wurde. Darin waren die Amerikaner rigoros. Und nicht nur sperrten sie die Leute ein, sondern ebenso hemmungslos beschlagnahmten sie die Transportmittel, mit denen die heiße Ware befördert worden war: Autos, Flugzeuge, Schiffe. Noch einmal überlegte er, wer es gewesen sein könnte. In erster Linie war natürlich das Maschinenpersonal verdächtig, denn wie hätte einer von den Decksleuten eine solche Menge an den Maschinisten vorbei in die Öltanks bringen sollen!
» Captain, Sie sind festgenommen!« hörte er Jefferson sagen.
»Die Ware ist beschlagnahmt, das Schiff vorläufig auch. Der Erste Offizier und der Chief bleiben an Bord, natürlich unter Bewachung. Der Rest kommt mit. Der Bus wird inzwischen am Kai stehen.«
Es dauerte noch eine knappe Stunde, bis ein erstes Protokoll aufgenommen war, die auf dem Schiff Verbleibenden ihre Anweisungen erhalten hatten und die Verhafteten von Bord gebracht werden konnten. Sie hatten an diesem Abend fröhlich an Land stürmen wollen, die CAPRICHO-Männer, aber nun war es ein trauriger Zug, der sich langsam und niedergeschlagen die Gangway hinabbewegte.
Unten auf dem Kai sah Nielson zwei Männer in Zivil stehen. Der eine trug eine Lederjacke und Jeans, der andere hatte einen Trenchcoat an. Sie waren noch jung, Mitte Dreißig vielleicht, und da sie sich eher am Rande des Geschehens aufzuhalten schienen, glaubte er, daß sie nicht zur Polizei gehörten. Als die Hälfte des Trupps den Kai erreicht hatte, trat der Mann in der Lederjacke auf die aus Uniformierten und Zivilisten zusammengewürfelte Menge zu und fragte auf deutsch:
»Entschuldigen Sie, ist Kapitän Nielson noch an Bord? Wir kommen aus Deutschland und …«
Nielson blieb stehen. »Das bin ich«, antwortete er. »Aber leider bin ich im Moment nicht zu sprechen. Wie Sie sehen …«
» Get away! « Mit diesen Worten und einer barschen Armbewegung mischte sich einer der Polizisten ein. » These people are arrested and you are not allowed to talk to them! «
Inzwischen war auch der Mann im Trenchcoat herangekommen. Der Beamte schob beide um einige Meter zurück.
Achtzehn Besatzungsmitglieder waren es, die in den bereitstehenden Bus dirigiert wurden. Fünf Polizisten stiegen ebenfalls ein. Die restlichen Amerikaner verteilten sich auf den Mannschaftswagen und drei Pkws. Die Fahrzeugkolonne setzte sich in Bewegung.
2
Nun saßen sie fest, die beiden Rechercheure, und das, obwohl sie in Flensburg eine so vielversprechende Fährte aufgenommen, sie in Apenrade zu einer wahrhaft heißen Spur ausgebaut und sich schließlich mit hochgesteckten Erwartungen nach New Orleans begeben hatten. Vor ihren Augen war der Kapitän der CAPRICHO als
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