1991 Atlantik Transfer (SM)
unterrichtet, als Luise ahnen konnte.
Nachdem er seinem Komplizen Foreman vor einigen Wochen die Aktion Tegernsee erläutert hatte, war als erstes dessen Frage gekommen, ob denn auch niemand in dem Haus lebe. Er hatte ihn beruhigt, hatte erklärt, es existiere eine Alarmvorrichtung, die schon auf die geringste Rauchentwicklung reagiere. Das stimmte zwar nicht, aber er hatte befürchtet, daß Foreman ohne diese Zusicherung den Auftrag ablehnen würde, denn dessen Devise lautete: Bei mir ist, wenn die Kasse stimmt, vieles möglich, aber Mord nicht!
Er sah wieder auf den gemeißelten weißen Frauenkörper, bildete sich sogar ein, er bewegte sich, und dann stellte er sich vor, wie Luise, die oft nackt schlief, aus dem brennenden Haus herauszugelangen versuchte. Und dachte: Hat sie es also doch geschafft! Nun denn, ein Unglück ist das auch nicht. Zwar bleibt jetzt die einzige Schwachstelle meines neuen Lebens erhalten, aber für meinen Seelenfrieden ist es wahrscheinlich besser so.
Er stand auf, nahm sein Gepäck und ging die wenigen Schritte bis zur Avenida Juarez, die den Alameda-Park flankierte. Er winkte ein Taxi heran und fuhr zum Flughafen. Am PAN-AM-Schalter kaufte er sich ein Ticket nach Houston. Bei der Kontrolle legte er seinen auf James Hamilton lautenden mexikanischen Paß vor.
Er ging an Bord. Die Maschine flog pünktlich ab. Sie brauchte für die tausendzweihundert Kilometer lange Strecke anderthalb Stunden. In Houston angekommen, verließ er das Flughafengebäude nicht, sondern suchte sofort den sanitären Bereich auf und schloß sich in einer WC-Kabine ein. Er holte aus seiner Reisetasche einen kleinen Spiegel, eine Blechschüssel und den Toilettenbeutel, verließ noch einmal das enge Geviert, um die Schüssel mit heißem Wasser zu füllen. Nachdem er die Tür wieder verriegelt hatte, begann er mit einer für den Zweck seiner Reise äußerst wichtigen Maßnahme. Er hängte den Spiegel an den ins Türblatt geschraubten Kleiderhaken, und dann rasierte er sich, wie er es auch vor dem ersten Treffen mit Foreman getan hatte, den Bart ab, entfernte die Kontaktlinsen, so daß seine natürliche Augenfarbe sichtbar wurde, entnahm der Reisetasche eine Perücke, versah sie innen mit einem Spezial-Klebeband und streifte sie über sein Stoppelhaar. Nach diesen Korrekturen zeigte ihm das Bild im Spiegel unverkennbar jenen Ernst Pohlmann, wie er noch vor einem Dreivierteljahr in der EUROVIT-Zentrale präsidiert hatte und wie er seitdem auf zahlreichen Pressefotos der deutschen Öffentlichkeit als einer der meistgesuchten Wirtschaftskriminellen vorgestellt worden war. Aus einem Seitenfach der Reisetasche zog er den Leuffen-Paß hervor, steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke und zwängte den Hamilton-Paß in die Gesäßtasche.
Ein letztes Mal überprüfte er sein Aussehen. Der helle Anzug, den er trug, stammte aus den USA, das weiße Batisthemd ebenfalls. Die weichen, anthrazitfarbenen Schnürschuhe waren noch aus Deutschland, und die goldene Schweizer Armbanduhr hatte Luise ihm schon vor über zehn Jahren geschenkt.
Er verließ die Kabine, ging zum Schalter der CONTINENTAL-Fluglinie, löste ein Ticket nach Cancún und füllte das kleine, für die Einreise nach Mexiko erforderliche Formblatt mit Leuffen-Personalien aus. Das Verlassen der WC-Kabine im alten Habitus hatte zwar eine im Hinblick auf seine Sicherheit kritische Phase eingeleitet, und sie würde auch noch etwa dreißig Stunden andauern, aber dieses Risiko mußte er eingehen. Indes nahm er an, daß auf den internationalen Flughäfen zwar der Name Ernst Pohlmann gespeichert war, nicht jedoch sein Bild, und ebenso vertraute er darauf, daß er nicht gerade an diesem und am nächsten Tag deutschen Touristen begegnen würde, die ihn womöglich wiedererkannten und ihre Entdeckung sofort meldeten. Wenn sie sich dagegen in einigen Tagen, vielleicht unterstützt durch neue Presseberichte, daran zu erinnern vermeinten, daß sie in Houston oder auf dem Flug nach Cancún den flüchtigen Ernst Pohlmann gesehen hatten, und sich dann an die Behörden wandten, sollte ihm das nur recht sein.
Er gelangte ohne Schwierigkeiten in die Maschine, nahm seinen Platz in der ersten Klasse ein und ließ sich von der Stewardeß amerikanische Zeitungen bringen. Er schwitzte unter seiner Perücke, nahm das kleine Übel aber gern in Kauf, zumal er, wenn er in einigen Tagen auf die Madrugada zurückkehrte, nie wieder mit dem leidigen kosmetischen Hin und Her zu tun haben würde.
Bis
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