1991 Atlantik Transfer (SM)
Kilohertz und dreißig Megahertz. Daneben die Sender, Seefunk, Mittel-, Grenz- und Kurzwelle, zwischen vierhundertzehn Kilohertz und fünfundzwanzig Megahertz.«
»Und was ist das?« Thaden zeigte auf einen in Deckenhöhe angebrachten Apparat, an dem eine Glocke saß.
»Das ist unser Auto-Alarmgerät. Damit können wir das Alarmzeichen vom Telegraphen-Funk empfangen.«
»Und wozu ist die Glocke da?«
»Für den Fall, daß ein Notruf kommt, und die Station ist nicht besetzt. Ich hab’ meine Kammer nebenan; wenn ich schlafe, und es gibt einen Notruf, dann weckt mich die Glocke.« Ellerup legte seine Rechte auf ein anderes Gerät. »Und das hier ist sozusagen das Gegenstück dazu. Wenn wir selbst in Schwierigkeiten sind und Hilfe brauchen, hammer’ ich auf diese Drucktasten und hoffe, daß ich eine Antwort kriege.«
»Und ist der Empfang immer klar?«
»Mehr oder weniger. Wir haben starke Sender, gute Empfänger, abgesetzte Sende- und Empfangsantennen; das alles sorgt dafür, daß die Störungen minimiert werden. Nur gegen atmosphärische Einflüsse sind wir machtlos.«
Thaden besah sich noch einmal das Gerät mit den Tasten. »Eine lebenswichtige Erfindung«, sagte er, und dann folgte, in beiläufigem Tonfall, die Frage: »Sind Sie denn schon mal in Seenot gewesen?«
»Mit der CAPRICHO noch nicht, aber mit einem anderen Schiff.«
»Und? Kam Ihnen da jemand zu Hilfe?«
»Gott sei Dank, ja. Das war in der Biskaya. Wir hatten Maschinenschaden und trieben im Sturm. Ist ein Scheißgefühl, wenn man genau weiß: Jetzt müßte man dieses oder jenes Manöver fahren, um den Brechern auszuweichen, aber die Maschine macht nicht mit. So ungefähr muß es sein, wenn ein Löwe hinter Ihnen her ist, und Sie sind plötzlich gelähmt. Wir hatten Glück.
Zwei französische Schlepper, die nach Vigo unterwegs waren, reagierten auf unser SOS-Signal. Sie nahmen uns auf den Haken.«
Plötzlich hatte Thaden das Mädchen Melanie im Kopf, wie sie den Worten genau dieses Mannes, der jetzt einen halben Meter von ihm entfernt vor seinen Instrumenten saß, lauschte und voller Entsetzen vernahm, daß er gesehen hatte, wie einundzwanzig Menschen ertranken. Aber er kehrte ganz schnell in die Gegenwart zurück: »Und den umgekehrten Fall? Hatten Sie den auch schon mal? Ich meine, daß Sie einem Schiff zu Hilfe kommen mußten?«
Er versuchte, in Ellerups Gesicht zu lesen, denn wenn der abgerissene Funkspruch von der CAPRICHO gekommen war, müßte den Dänen jetzt die Erinnerung plagen. Doch dessen Erwiderung kam ganz locker:
»Ja, aber auch das passierte nicht auf diesem Schiff. Ein dänischer Frachter. Da wurden wir im Kattegat von einem norwegischen Fischdampfer gerufen. Als wir ankamen, war er längst gekentert, und die Leute trieben im Wasser. Fünf Mann. Wir haben sie aufgefischt. Sie waren halb erfroren.«
»Wie weit ist denn so ein Alarmruf überhaupt zu empfangen?«
»Zwei- bis dreihundert Seemeilen. Bei schlechtem Wetter, wenn’s zum Beispiel stark regnet oder die Luft viel Salz hat, kann es auch weniger sein.«
»Und bei solchen Entfernungen lohnt es sich noch hinzufahren? Ich meine, ist es da nicht von vornherein klar, daß man zu spät kommt?«
»Das hängt vom jeweiligen Fall ab. Manchmal ist ein Schiff in Seenot, kann sich aber noch tagelang über Wasser halten. Und zweitens kommt es darauf an, ob andere Schiffe näher dran sind. Dann spricht man sich ab, denn zwanzig Stunden Fahrt in eine andere Richtung, das bringt, wenn’s für nichts war, ’ne Menge Ärger mit der Reederei.«
Das Gespräch erregte Jacob Thaden, ging es nun doch ganz präzise um jenen Sachverhalt, der ihn an Bord dieses Schiffes geführt hatte, und vermutlich sogar um eben den Mann, der auch darin verwickelt war. Ob seine Fragen ihn womöglich schon mißtrauisch gemacht hatten? Egal, er mußte weiterkommen: »Eine Menge Ärger, sagen Sie. Wird der Verlust, der durch eine Rettungsaktion entsteht, der Reederei denn nicht ersetzt?«
»Damit sieht es in der Praxis oft finster aus.«
»Könnte ein Reeder aus diesem Grund seine Kapitäne anweisen, sich bei einem SOS-Signal die Augen zuzuhalten oder vielmehr die Ohren?«
»Ausgeschlossen! Ein internationales Übereinkommen verpflichtet den Schiffsführer, in Notfällen zu helfen, und da hat ihm auch der Reeder nicht dazwischenzureden.«
»Und wenn der Reeder es trotzdem tut und der Kapitän seine Weisung befolgt, weil er, was weiß ich, nicht gefeuert werden will?« Die Frage war kaum heraus, da beschlich Thaden das
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