1991 Atlantik Transfer (SM)
Drohung also wahrgemacht.«
»Nein, es war ein Unfall. Beim Schwimmen in der Karibik. Ein Hai.«
»Oh, wie entsetzlich!« Sie war aufgestanden, machte ein paar Schritte auf die Fenster zu, kehrte dann abrupt um und setzte sich wieder in ihren Sessel.
Jetzt war Staatsanwalt Becher an der Reihe. Er erzählte in groben Zügen, was die Ermittlungen der Mexikaner und auch seine eigenen bisher ergeben hatten, und sagte schließlich: »Wir möchten Ihnen gern einen Videofilm vorführen, der Ihren Mann beim Schwimmen zeigt. Zwar haben wir die Sachen des Verunglückten, und sie enthalten eindeutig die Fingerabdrücke von Ernst Pohlmann, aber theoretisch besteht die Möglichkeit, daß sie einer anderen Person gehören. Wissen Sie, ob es hier im Hause ein Videogerät gibt?«
»Unten in der Halle steht eins.«
Sie gingen hinunter an die Rezeption, erhielten vom Empfangschef die Erlaubnis, die Anlage zu benutzen, und begaben sich zu dritt in die Halle, in der sich zu dieser frühen Nachmittagsstunde niemand aufhielt. Replin legte die Kassette ein. Die Kopie war im Bundeskriminalamt um die blutige Schlußszene gekürzt worden, und so sah Luise Pohlmann nur den gelösten, gutgelaunten Urlauber, sah ihn im Bungalow, beim Ablegemanöver, schließlich beim Fischen und Schwimmen. Einmal war auch Foreman zu sehen, und zwar, wie er die Angel einholte und einen Fisch vom Haken löste.
Immer wieder sagte sie: »Er ist es!« Und am Schluß: »Es besteht nicht der geringste Zweifel. Es ist sein Gesicht, sein Körper, seine Stimme, und es sind seine Bewegungen.«
Als sie wieder im Zimmer saßen, breitete Becher Pohlmanns Hinterlassenschaft auf dem Tisch aus. Auf die Mitnahme der Kleidungsstücke hatten sie verzichtet, und daher lagen nun fünf Gegenstände vor ihren Augen: der auf den Namen Eberhard Leuffen ausgestellte Paß, die Armbanduhr, der Kugelschreiber, das Notizbuch und schließlich der silberne Talisman, den Luise Pohlmann sofort in die Hand nahm. »Ja, dieses geschmacklose Schmuckstück hat er immer bei sich getragen, nicht gerade seit seiner Kindheit, aber erwachsen war er auch noch nicht, als er an das Ding kam.« Sie legte den etwa vier Zentimeter langen und über die Flügelspanne ebenfalls vier Zentimeter messenden Gegenstand auf den Tisch zurück. »Es hängt mit einem Erlebnis zusammen, das er als Schüler hatte.
Daß das Stück jetzt hier ist, sagt einiges aus.«
»Was denn?« fragte Becher.
»Daß es mit dem Tod seine Richtigkeit hat. Sonst wären mir vielleicht Zweifel gekommen.«
»Aber Frau Pohlmann! Ein lächerlicher Schlüsselanhänger macht Sie so sicher?«
»Sie kennen … Sie kannten meinen Mann nicht. Einmal war er auf dem Weg zu einer wichtigen Sitzung. Nach hundertzwanzig Kilometern kehrte er um, weil er das Ding vergessen hatte. Mit zwei Stunden Verspätung ging er in die Konferenz, und damals war er noch nicht der Chef!«
»Nun«, Becher schob das anzügliche Objekt ein Stück näher an die anderen Sachen heran, »wir haben andere Beweise für seinen Tod.«
»Mir genügt dieser. Mein Mann war ein eiskalter Geschäftsmann und zugleich krankhaft abergläubisch. Für ihn bedeutete das Stück Männlichkeit da«, ihre Rechte wischte über den Tisch, wie es abfälliger nicht hätte geschehen können, »viel mehr als nur die sexuelle Potenz. Er war tatsächlich der Meinung, im Grunde gehe alle Macht letztlich von jenen paar gereckten Zentimetern aus, für die sein Talisman Symbol war. Sie müssen meine Offenheit schon in Kauf nehmen, denn ohne sie würde es Ihnen wahrscheinlich noch schwerer fallen, mir zu glauben. Er sagte mal: Wenn ich ihn nicht mehr hochkriege, dauert es nicht lange, und ich selbst bin auch nicht mehr oben. Ja, das hat er wirklich gesagt. Ich weiß, Menschen, die normal denken, sträuben sich gegen eine so verquere Theorie, aber er war ja auch nicht normal. Sie kennen doch sicher aus dem Film über die CAINE den Mann mit den Kugeln.«
»Commander Queeg«, sagte Becher, »von Humphrey Bogart gespielt.«
»Ja. Bei Ernst war es die gleiche neurotische Besessenheit. Keine wichtige Entscheidung im Aufsichtsrat, ohne daß er heimlich in seiner Hosentasche das silberne Ding bearbeitet hat.«
»Aber«, warf Replin ein, »mittlerweile ist Ihr Mann nicht mehr an der Spitze, und vielleicht ist es ihm daher leichtgefallen, sich von diesem Symbol zu trennen. Damit will ich nicht sagen, daß wir seinen Tod anzweifeln, nur: Wir ziehen unsere Schlüsse aus anderen Erkenntnissen.«
Noch einmal sagte sie: »Mir
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