1991 Atlantik Transfer (SM)
Sie fahren nur bis Veracruz mit, oder?«
»Ja.«
»Dann werde ich dafür sorgen, daß wir einen anständigen Preisskat veranstalten, bevor Sie von Bord gehen.«
»Ich hab bestimmt keine Chance zu gewinnen, aber ich bin dabei. Wiedersehen, Herr Ellerup!«
»Wiedersehen!«
Thaden ging in seine Kabine und setzte sich an den Tisch.
Immer wieder fragte er sich, ob die Worte »Sind sehr nahe, kommen sofort!« tatsächlich dort oben in dem kleinen, mit technischen Geräten vollgestopften Raum ihren Ausgang genommen hatten. Und immer wieder auch sagte er sich: Es muß so gewesen sein, weil eben alles stimmt, die Zeit, der Ort, das Wetter und nicht zuletzt die Zahlenkombination aus der Vier und der Einundzwanzig! Nur galt auch diesmal: Davon hatte er vorher gewußt, und Neues war nicht hinzugekommen.
Also beschränkte sich das Resultat seines Besuchs in der Funkstation darauf, daß er nun die Geräte und die technischen Abläufe, die damals eine Rolle gespielt haben mußten, besser kannte und sich ein bißchen Hintergrundwissen über rechtliche Fragen zum Funkwesen verschafft hatte. Viel war das nicht! So hoffte er nun auf das Gespräch mit dem Kapitän, wünschte sich, daß es ihm gelänge, aus Nielson eine unbedachte Äußerung herauszulocken, zählte dabei auch auf den Armagnac.
10
Sie fuhren durch Interlaken. Kommissar Replin saß am Steuer, und Staatsanwalt Becher hatte den Stadtplan vor sich. »Immer geradeaus und nachher rechts ab«, sagte er.
»Ich versteh’ nicht«, meinte Replin, »daß sie schon jetzt eine Nachkur macht. Hauttransplantationen sind doch langwierige Geschichten mit etlichen Wochen Klinikaufenthalt!«
»Man hat noch gar nicht transplantiert. Das soll erst später gemacht werden. Zunächst geht es um die Behandlung der Brandwunden, und dafür hat sie sich die Schweiz ausgesucht. Wollen Sie es ihr sagen? Ich glaube, es fällt mehr in Ihr Ressort.«
»Ich mach’ es.« Replin gähnte. »Wie die Dinge liegen, war’s wohl nicht grad ’ne Traumehe, und das erleichtert mir die Sache. Hab’ da schon die reinsten Horrorsituationen erlebt. Manche reagieren in einer Weise, als wäre ich schuld an dem, was passiert ist.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Also, bei Ernst Pohlmann hab’ ich alles für möglich gehalten, Mord, Selbstmord, Verschollenheit auf Lebenszeit und auch, daß es uns gelingt, ihn aufzustöbern, aber an ein Unglück wie dieses hab’ ich nicht gedacht.«
»Trauen Sie der Sache nicht?«
»Mir scheint, wir müssen sie akzeptieren. Wie ist denn Ihre Meinung? Sie haben ja bestimmt mehr Erfahrung als ich mit den Winkelzügen und Finessen von Leuten, die untergetaucht sind.«
»Aber Sie waren es, der drüben mit diesem Ami gesprochen hat, diesem Howard Foreman, und auch mit den dortigen Behörden und dem Vertreter unserer Botschaft. Mit dem Foreman, möchte ich mal sagen, steht und fällt die ganze Geschichte.«
»Dann steht sie, denn der Mann wirkt glaubwürdig.«
»Und meine Kollegen drüben?« fragte Replin. »Was sagen die?«
»Sie glauben dem Mann auch. Er ist übrigens kein richtiger Ami, sondern Anglo-Mexikaner. Jedenfalls ist er die Schlüsselfigur, und da er uns alle überzeugt hat, wird es mit Pohlmanns Tod seine Richtigkeit haben.«
»Und da gibt es wirklich Haie?«
»Ja. Über Unfälle dieser Art hört man nur deshalb so wenig, weil sie nach Möglichkeit verschwiegen werden. Sonst könnte ja der Tourismus darunter leiden. Da vorn müssen wir rechts abbiegen!«
Luise Pohlmann empfing sie in der Suite, die sie sich im Kurhotel genommen hatte. Die Brandwunden in ihrem Gesicht – eine runde am linken Jochbein, so groß wie ein Fünfmarkstück, eine kleinere etwas darunter und eine etwa fünf Zentimeter lange, die sich rechts bis zum Hals herunterzog – waren zwar gut verheilt, damit aber nicht verschwunden. Im Gegenteil, gerade der Heilungsprozeß hatte die schöne Frau mit dunklen, unansehnlichen Hautverkrustungen geschlagen, die sie zwar überpudern, aber wegen der erhabenen Beschaffenheit nicht hatte unsichtbar machen können. Die beiden Männer waren taktvoll genug, sich jeder Äußerung über diesen traurigen Anblick zu enthalten.
»Wir haben Ihnen leider eine schlimme Nachricht zu überbringen«, sagte Kommissar Replin, nachdem sie sich gesetzt hatten. »Unser Telefongespräch heute vormittag erschien mir dafür nicht geeignet, und darum sind wir nun hier.«
»Ist er tot?« Angst schien nicht mitzuschwingen in ihrer Frage.
»Ja«, sagte Replin.
»Dann hat man die
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