1991 Atlantik Transfer (SM)
Gefühl, die Schraube nun vielleicht doch überdreht zu haben, und er bereute, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen; aber zurücknehmen konnte er seine Worte nicht. Gespannt wartete er auf die Antwort. Es schien gutgegangen zu sein, denn Ellerup gab weiterhin ohne Zögern Auskunft:
»Das hätte Folgen. Wenn ein solcher Fall vorliegt und auch bekannt wird, kommt es zu einer Seeamtsverhandlung, und da haben sich dann vor allem zwei Leute zu verantworten. Einmal der Funker, denn er ist ja derjenige, der den Notruf aufgenommen hat, und dann der Kapitän, der als Schiffsführer auch die Funkstation in seiner Verantwortung hat. Und wenn es sich um ein Schiff handelt, das keine TelegraphicAusrüstung hat, sondern nur mit Sprechfunk fährt, ist auch der Offizier dran, der gerade Wache hatte, denn der Sprechfunk läuft ja über die Brücke.«
»Also hat nicht jedes Schiff die TelegraphicAusrüstung?«
»Nein. Das hängt von der Größe des Fahrgebiets ab. Das Seeamt wird dann feststellen, daß die Funkwachen nicht ordnungsgemäß wahrgenommen wurden oder daß der Sicherheitsempfänger, mit dem die Notfrequenz 2182 Kilohertz auf der Brücke abgehört wird, gar nicht eingeschaltet war oder aus irgendeinem Grund nicht gehört wurde. Dann kann der Spruch des Seeamts durchaus lauten: Patententzug für soundso viele Jahre wegen grober Fahrlässigkeit oder wegen unterlassener Hilfeleistung, und dabei fällt natürlich auch ins Gewicht, ob es Tote gegeben hat.«
»Aber Haftstrafen werden nicht verhängt.«
»O doch! Aber nicht vom Seeamt. Wenn dessen Spruch vorliegt, und der lautet auf, sagen wir mal, grobe Fahrlässigkeit oder unterlassene Hilfeleistung, dann schaltet sich der Staatsanwalt ein. Meistens schließen sich noch die geschädigte Reederei, also die des Havaristen, und vielleicht auch die Angehörigen von Seeleuten, die zu Tode gekommen sind, mit einer Zivilklage an.
Dann kann es durchaus zu Freiheitsstrafen kommen.«
»Aber vielleicht war da nur ein Gerät ausgefallen, und die Männer haben den Notruf gar nicht gehört.«
»Dann liegt der Fall natürlich anders, und die Seeamtsverhandlung bringt das auch zutage. Selbstverständlich kann ein Defekt vorgelegen haben, zum Beispiel in der Stromversorgung oder im Zeichenauswahlgerät der Alarmanlage, so daß …«
»Was bedeutet das?«
»Dann hat das Gerät den SOS-Ruf falsch gelesen, so daß es zum Alarm gar nicht kommen konnte. Diese Anlage ist so wichtig, daß sie jeden Tag überprüft werden muß.«
»Donnerwetter! Jeden Tag!«
»Ja. Das ist sozusagen mein Morgengebet.«
Jetzt muß ich allmählich etwas allgemeiner werden, dachte Thaden; sonst schöpft er doch noch Verdacht. »Wie wird man eigentlich Funker?« fragte er also.
»Die meisten kommen aus dem Elektrofach, haben an Land gelernt, vielleicht in einer Radiowerkstatt, und wenn sie dann auf ein Schiff wollen, müssen sie noch ein paar Semester auf der Seefahrtsschule büffeln. Sind sie damit durch, kriegen sie ihr Funkerpatent.«
Thaden stand auf. »Wann kommt denn mein Telegramm in Hamburg an?«
»In ein bis zwei Stunden. Drüben ist es jetzt …«, Ellerup sah auf die große an der Wand angebrachte Uhr, deren Zifferblatt rote und grüne Markierungen aufwies, »… nachmittags fünf; also, zum Abendbrot haben die Ihr Lebenszeichen. Ach ja, die Uhr da oben gehört auch noch zu unserer Ausrüstung. Ihre Größe ist vorgeschrieben, ebenso die Ganggenauigkeit. Die roten Felder kennzeichnen die Funkstille der Frequenz 500 Kilohertz, das betrifft also die Morse-Telegraphie, und die grünen sind für die Funk-Telephonie auf der Frequenz 2182 Kilohertz.«
»Und was bedeutet das alles?«
»In den markierten Zeiten darf auf diesen Frequenzen kein Funkverkehr stattfinden. Aber sie müssen intensiv abgehört werden, damit keine Notmeldung verlorengeht. Wenn Sie zu Hause die Feuerwehr anrufen müßten, wären Sie bestimmt auch ganz schön verärgert, wenn da dauernd besetzt wäre.«
Thaden lachte. »Das leuchtet ein. Ja, jetzt werd’ ich mich auf die Socken machen. Haben Sie vielen Dank für die interessanten Informationen!«
»Das hab’ ich gern gemacht. Hab’ ja nicht so oft Gelegenheit, mit anderen zu reden. Auf so einem Schiff drehen die Gespräche sich manchmal im Kreis, weil es immer dieselben Leute sind.
Wir könnten übrigens auch mal ein paar Runden Skat dreschen.
Oder spielen Sie keinen Skat?«
»Doch, sehr gern. Und wer kommt als dritter Mann in Frage?«
»Nielson zum Beispiel, aber auch Jesko und der Koch.
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