1991 Atlantik Transfer (SM)
genügt dieser Beweis!« Und sie fuhr fort: »Sie haben recht, er wäre, wenn er noch lebte, nicht mehr oben, aber das hieße dann nur, daß er alles daransetzen würde, wieder dorthin zu kommen, und also würde dieses Stehaufmännchen für ihn weiterhin die Rolle spielen, die es immer gespielt hat. Glauben Sie mir, wenn er am Leben wäre, läge sein Talisman nicht hier, es sei denn, man hält ihn gefangen und hat ihm alles, was er bei sich hatte, abgenommen. Wie zuverlässig ist denn Ihr Zeuge?«
»Foremans Darstellung«, antwortete Becher, »ist hieb- und stichfest.«
»Sie halten es für völlig ausgeschlossen, daß er meinen Mann da draußen auf dem Boot umgebracht hat?«
»Warum sollte er?«
»Vielleicht hatte Ernst einen großen Geldbetrag bei sich. Oder Foreman ist gekauft worden von den Leuten, die uns die Drohbriefe ins Haus geschickt haben.«
»Dafür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt.«
»Das mit dem Hai … können es auch mehrere gewesen sein?«
»Vielleicht. Wir wissen es nicht.«
»Ob es lange gedauert hat, bis sie ihn … bis er tot war?«
»Laut Foreman ist es sehr schnell gegangen.«
»Gibt es noch andere Zeugen?«
»Nein. Zwar fuhr in einigem Abstand ein Boot vorbei, aber da war es schon passiert.«
»Und von der Küste aus hat man nichts gesehen?«
»Sie waren zwölf bis fünfzehn Meilen entfernt.«
»Muß man so weit draußen nicht damit rechnen, daß da Haie sind?«
»Durchaus. Foreman hat Ihren Mann auch gewarnt, aber er wollte, weil es so heiß war, sich unbedingt im Wasser abkühlen.«
»In einem Wasser mit Haien?«
»Ja.«
»Noch einmal zu den einzelnen Gegenständen!« übernahm nun wieder Replin die Befragung. »Den Silberschweif …«, er stockte, als das Wort heraus war, fuhr dann aber doch gleich fort, »können Sie also eindeutig als den Talisman Ihres Mannes identifizieren?«
»Eindeutig. Sicher kursieren ein paar tausend von diesen grotesken Exemplaren in Deutschland und auch anderswo, aber bei dem hier ist, wie ich gesehen habe, der linke Flügel leicht verbogen, und das war er schon immer.«
»Und der Kugelschreiber?«
Sie nahm ihn in die Hand. »Mein Mann hatte so einen.«
»Und die Uhr?«
Sie griff nach der Armbanduhr. »Die hab’ ich ihm vor zehn Jahren zum Geburtstag geschenkt. Hier!« Sie zeigte auf die Rückseite des goldenen Gehäuses. »Das Datum und meine Initialen.«
»L. C.?« fragte Becher.
»Luise Clarissa.« Sie legte die Uhr auf den Tisch.
Replin gab ihr den Paß. Sie besah sich das Foto. »Mit dem Namen kann ich nichts anfangen, aber das Foto zeigt eindeutig meinen Mann.« Sie gab den Paß zurück, prüfte dann das Notizbuch, las darin. »Ja, ganz ohne Frage ist das seine Handschrift! Die übertriebenen Ober- und Unterlängen. Und hier das große P in dem Wort Presse, genau wie das P in seiner Unterschrift.«
»Können Sie«, fragte Replin weiter, »an einigen Eintragungen feststellen, wann sie gemacht worden sind, vor allem, ob vor oder nach seinem Verschwinden?«
Sie blätterte in dem Büchlein. »Da steht zum Beispiel: ›Emmersons Zusage evtl. heute nachmittag‹. Emmerson ist ein Londoner Kunde der EUROVIT, ein Großabnehmer. Also stammt die Notiz noch aus der Zeit, als er hier war. Sie wurde unter dem Datum 28. November eingetragen, aber damit muß er sie nicht unbedingt an dem Tag geschrieben haben. Für genaue Daten und Uhrzeiten benutzte er seinen Terminkalender. Und hier! ›Donnerstag Einladung bei Grassmanns‹. Die war im Dezember, und da war ich dabei.«
»Und die späteren Eintragungen?« fragte Becher.
Sie schlug die nächste Seite auf, las laut vor: »›Mittwoch 5 pm Brewster in L.A.‹. Das wird er nach seiner Abreise geschrieben haben, denn sein letzter mir bekannter Aufenthalt in Los Angeles liegt drei oder vier Jahre zurück. Oder hier! ›Dienstag zum Fischen mit Howard F.‹. Es ist die letzte Eintragung. War es ein Dienstag?«
»Ja«, antwortete Replin. »Wir fragen uns, wieso er ein Notizbuch vom Vorjahr in Gebrauch hatte.«
»Das hatte er oft. Er benutzte manchmal gleich mehrere Seiten für ein Redekonzept, und dabei kümmert man sich ja nicht um die Daten. Und ich kann mir vorstellen, daß er gerade dieses besonders mochte«, sie strich mit dem rechten Zeigefinger über den schwarzen Deckel, »das feine Leder und das kleine Format.
Wie gesagt, für das Exakte hatte er seinen Terminkalender; ein Notizbuch dagegen war ihm so was wie ein, ja, wieder wie ein Talisman. Und wenn das Leder schmiegsam und edel war wie bei diesem, dann
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