1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Tisch, trank Kaffee, zündete sich eine Zigarette an. Die wichtigste Neuigkeit hatte er für sich behalten. Die Staatsanwaltschaft hatte für Hinweise auf seinen Verbleib zwanzigtausend Mark Belohnung ausgesetzt, und von Vetter John, auch das hatte Jacob in der Zeitung gelesen, war noch einmal das Doppelte draufgepackt worden. Sechzigtausend Mark also winkten demjenigen, der zu seiner Ergreifung beitragen konnte. Wäre Alejandra nicht dagewesen, hätte er Federico und Ernesto davon erzählt, aber ihr gegenüber hatte er Bedenken. Story hin, Story her, war seine Überlegung gewesen, auch der besessenste Reporter läßt sie womöglich sausen, wenn auf der anderen Seite ein solcher Haufen Geld winkt. »Also, wir sprachen übers Hafenamt«, sagte er zu Alejandra. »Ja«, antwortete sie, »heute morgen war ich da, ohne Federico. Er meinte, bei meinem ersten Kontakt zu den Leuten käme ich allein vermutlich weiter, als wenn ich einen Mann an meiner Seite hatte, und dann noch ein so tolles Exemplar.«
»Das mit dem tollen Exemplar hab’ ich nicht gesagt«, meldete Federico sich zu Wort.
»Nein, aber ich hab’s gedacht. Weil ich keinen speziellen Schiffsnamen nennen konnte, schickte man mich zum Zoll, wo ich auf einen jungen Mann stieß, der sich Arme und Beine ausriß, um mir zu helfen. Bei dem Wort Schrottladung spitzte er die Ohren, und da hab’ ich ihm erklärt, ich hätte in meinem schlichten Reportergehirn die Überlegung angestellt, daß es zur OLGA THEUNISSEN das Gegenschiff gegeben haben muß. Er ist dann mit mir die gesamte Abfertigung der letzten zweieinhalb Monate durchgegangen. Ergebnis, keine Schrottladung. Das wunderte mich nicht, denn von den Tätern wäre es mehr als leichtsinnig gewesen, durch so eine Deklarierung auf einen möglichen Zusammenhang mit der Kupfer-Affäre hinzuweisen. Schrott fanden wir also nicht in den Unterlagen. Ebensowenig stießen wir auf die Menge von neuntausend Tonnen, und somit saßen wir erst mal fest. Aber dann hatte ich die Idee, die Sache von einer ganz anderen Seite her anzugehen, nämlich von den Zielhäfen, und dabei kam was Interessantes heraus. Um die Zeit, als die OLGA THEUNISSEN von Valparaiso in Richtung Talcahuano abdampfte, liefen, ebenfalls von Valparaiso, zwei US-Schiffe aus, und zwar die achttausend Tonnen große JONATHAN SEYMOUR und die zehntausend Tonnen große LOUISIANA, beide mit Ziel New Orleans. Deklarierte Ladung bei dem einen: Fisch- und Obstkonserven. Bei dem anderen: Wein und Hartholz. Die Schiffe waren nicht ausgelastet, und ihre Ladungsmengen ergaben zusammen neuntausend Tonnen. Was mich zunächst stutzig machte, war das Holz. Unser Blatt hat ausführlich berichtet, daß Bündel und auch einzelne Stämme an die Küste getrieben sind. Wir haben sogar Fotos davon gebracht. In den Zollunterlagen aber stand, daß beide Schiffe nur Container-Ladung an Bord hatten. Doch der …«
»Das kommt vor«, unterbrach Olaf sie, »manchmal packt man Edelholz in Container.«
»Genau das sagte der junge Mann auch.« Sie reichte Olaf ein Blatt Papier über den Tisch. »Da hab’ ich alles aufgeschrieben, Schiffsnamen, Reedereien, Zielhafen, Ladungen, Reisedaten.«
»Danke.«
»Ich kann Ihnen natürlich keine Garantie geben, daß es sich um die Schiffe handelt, nach denen Sie suchen. Aber es spricht einiges dafür.«
»Das heißt«, erwiderte Olaf, »wir werden auch in New Orleans nachforschen.«
»Er hat dann«, fuhr Alejandra in ihrem Bericht fort, »sogar nach weiteren US-Schiffen gesucht, aber da gab es nur eins von achtzehntausend Tonnen, das Guano geladen hatte, Düngemittel also …«
»Vogelscheiße«, präzisierte Federico.
»Okay, wenn dir das lieber ist. Auf jeden Fall Bulkware, die ja entfällt. Außerdem ging dieses Schiff nicht in die Staaten, sondern nur nach Panama.« Sie blickte in die Runde. »Ja, das war’s. Die gleiche Recherche könnte man jetzt beim Zoll von Arica, Antofagasta, Iquique und Talcahuano durchführen.« Olaf schüttelte den Kopf. »Ich hab’ es schon zu Federico gesagt. Da das Kupfer aus einem Werk nahe Santiago stammt, wären bei den anderen Häfen zu lange Transportwege angefallen. Es wird von der WILKINSON CORPORATION aus einen ähnlichen Pendelverkehr nach Valparaiso gegeben haben wie von Curacavi aus. Ich danke Ihnen. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht.«
»Und wie geht’s nun weiter?« wollte Ernesto wissen. »Morgen abend«, antwortete Olaf, »fliegen wir nach Nassau. Ich hab’ mich schon erkundigt, der Flug geht um 19.15
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