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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wachstuchbezogenen Tischen und rohem Gestühl. Schon zu dieser frühen Stunde wurde dort Fisch gebraten, dessen köstlicher Geruch ihnen Appetit machte. So ließen sie sich ein ungewöhnliches Frühstück vorsetzen, gebratene Seezungen und Kaffee. Gegen acht Uhr fuhren sie nach Valparaiso zurück, wollten im Hafen zu ergründen versuchen, ob dort ein Schiff ausgelaufen war, das möglicherweise die für die OLGA THEUNISSEN vorgesehene Kupferladung an Bord genommen hatte. Mittags war Lagebesprechung im Hotel LOS ANDES. Es traf sich gut, daß kurz vorher Ernesto aus Antofagasta zurückgekommen war. Er staunte natürlich über den Neuzugang. Auch er duzte Alejandra von Anfang an, während Olaf sie weiterhin siezte und sie ihrerseits ihn mit Señor Offermann anredete. Um ungestört zu sein, hatten sie sich das Essen in Olafs Zimmer servieren lassen. Als Vorspeise gab es Langostinos mit Knoblauch-Mayonnaise, danach eine Lauchsuppe, als Hauptgericht Lammsattel mit Champignons und Eßkastanien und als Nachtisch frische Erdbeeren. Der Zimmerkellner war bereit gewesen, die einzelnen Gänge in zeitlichen Abständen aufzutragen, doch sie hatten lieber alles auf einmal haben wollen. So war er mit einem übergroßen Servierwagen gekommen, der auf den halben Zentimeter genau durch die Tür paßte.
Sie ließen es sich schmecken. Alejandra übernahm, zumal die Männer nur sehr verhalten protestiert hatten, die eine oder andere Handreichung, tranchierte, gab auf, stellte Geschirr beiseite.
»Die Muñoz-Familie«, begann Ernesto seinen Bericht, »hat in Antofagasta einen Palast wie aus Tausendundeiner Nacht, und dazu paßt auch, daß ganz in der Nähe die Wüste anfängt.«
»Als was bist du da aufgetreten?« fragte Federico. »Als ein Vetter des Maschinisten Fernandez, der bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist.«
»Großartig!« sagte Olaf. »Wann ist dir denn das eingefallen?«
»Im Flugzeug. Erst hatte ich vor, mich als Bruder auszugeben, aber das ging nicht, weil sie vielleicht nach meinem Paß fragen würden. Die Namen der beiden Toten haben ja in der Zeitung gestanden.«
Alejandra bestätigte das, wenn sie auch gleich darauf einschränkte: »Aber die weiß heute bestimmt keiner mehr.«
»Ich mußte sichergehen. Also, ich war Abgesandter des Vaters, der den Tod seines Sohnes aufgeklärt wissen will. Und es klappte. Wenn man aus der Trauerecke kommt, sind die Leute wohl zugänglicher. Ich wurde zum Tee eingeladen und hatte die Ehre mit drei Familienmitgliedern, dem General Héctor Muñoz Escobedo …«, er schlug sich leicht gegen die Brust, »hier steckt seine pompöse Visitenkarte, und wir werden uns schreiben, zweitens mit der Gattin, Doña María Eugenia, und drittens einem flegeligen Enkel von sechzehn Jahren, der grad vom Tretroller auf einen MASERATI umgestiegen ist und von Führerscheinen nichts hält. Hab’ natürlich erst mal ein bißchen auf die Tränendrüsen gedrückt, einziges Kind, Stolz der Eltern und so weiter, und dann hab’ ich frank und frei die Frage aufgeworfen, wer schuld sein könnte an dem brutalen Anschlag. Der alte Krieger, er war allerdings in Zivil, glaubt an Versicherungsbetrug. Täter, der eine der beiden deutschen Reeder. Man wußte im Haus vom Wettkampf und natürlich von dem Wahlchilenen Claas Theunissen und auch, daß ein Verdächtiger in U-Haft sitzt. Hab’, um ihnen was Neues aufzutischen, erzählt, daß der nun nicht mehr sitzt, sondern abgehauen ist. Hab’ gesagt, vermutlich nach Neuseeland. Das große Klagen setzte dann ein beim Thema Kupfer. Die alte Dame habe es doch in ihrem Testament so lieb gemeint. Als ich fragte, wann sie und Claas Theunissen sich denn kennengelernt hatten, wurde Doña María Eugenia ein bißchen nervös, und vorsorglich traf ein warnender Blick den General, damit dem bloß nicht einfiele, schmutzig zu grinsen. Aber der Grünschnabel am Tisch vermasselte ihr die Tour. Er platzte raus mit der Meldung, seine Urgroßmutter sei ein flotter Feger gewesen. Sie und dieser Deutsche aus Valpo hätten ihrem Mann ein stattliches Geweih aufgesetzt. Ich hör’s noch, cuernos formidables. Na, und das war dann auch das Stichwort für die Señora, den vorlauten Enkel zu seinem MASERATI zu schicken. Von da an waren wir nur noch zu dritt. Das Kupfer hat in einer Halle …«, er holte sein Notizbuch heraus, blätterte darin, fand die gesuchte Stelle, »der WILKINSON CORPORATION LIMITED bei Santiago gelegen. Gleich nach der Testamentseröffnung war da das Tor versiegelt worden.

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