1992 Das Theunissen-Testament (SM)
freigegeben. Der Schwarze stöhnte und krümmte sich vor Schmerzen, doch Federico zeigte kein Erbarmen, sondern trieb ihn energisch zur Arbeit an. Der etwa fünfundzwanzigjährige kräftige Mann lud sich Ernesto auf die Schulter, und dann ging es abwärts und gleich weiter durch die Halle und hinaus.
Der Jeep stand da mit laufendem Motor. Ernesto wurde auf den Rücksitz gebettet. Danach besah sich Federico im Schein seiner Taschenlampe die Wunde des Schwarzen. Die Kugel war ihm in den Unterarm gegangen, hatte dort ein Loch gerissen. Dennoch zog er nun das zweite Paar Handschellen hervor, schloß eine davon um den gesunden Arm des Mannes und führte ihn zurück in die Halle, kettete ihn an das Gestänge der Treppe.
»Ich schick’ dir einen Arzt«, sagte er und lief nach draußen, setzte sich ans Steuer des Jeeps, fuhr zum Ausgang. Am Tor wollte er keine Zeit verlieren, brauste daher mit Vollgas gegen die Drahtflügel, zog den Kopf ein. Es krachte, und der Weg war frei.
Auf der Straße brachte er den Wagen auf Touren. Erst jetzt, in der ersten Minute des freien Durchatmens, fiel ihm der andere ein, der zweite Mann, der wahrscheinlich auch verletzt war. Wo war der geblieben? Während der Fahrt über den großen Platz hatte er ihn nirgendwo liegen sehen. Vielleicht hatte der Schwarze, dem die Fortsetzung der Verfolgungsjagd offenbar wichtiger gewesen war als die Betreuung des Kollegen, ihn einfach an die Hallenwand gelegt. Aber was, wenn ich den erschossen hab’?
Er erreichte die Büsche, in deren Schutz sie geparkt hatten, lenkte den Jeep neben den FORD, stieg aus und machte sich daran, Ernesto umzubetten, verschmierte dabei viel Blut über die Sitze. Als er den Motor des Mietwagens anließ, wachte Ernesto auf. Er stöhnte zum Gotterbarmen. Aber Federico fuhr los, griff, als er wieder auf der Straße war, nach hinten, suchte Ernestos Kopf, strich ihm übers Gesicht.
»Ich bring’ dich in die Klinik. Gleich wirst du versorgt. Es ist alles überstanden.«
»Mein Fuß …«
»Gleich, Ernesto! Gleich sind wir da.«
»Was …, was ist mit meinem Fuß?«
»In der Klinik wird man dir sofort helfen.« Stille. Der Freund war in die Ohnmacht zurückgefallen, und Federico atmete auf.
Er bog ein in den Highway, hielt vor der Tankstelle. Nun war es egal, ob man sich dort an ihn erinnern würde oder nicht. Er ging zum Drugstore, erkundigte sich nach der nächsten Klinik, erfuhr, daß es am Stadtrand eine Unfallstation gab. Er ließ sich den Weg beschreiben und fragte dann, ob er telefonieren dürfe. Zum Glück gab es eine Zelle, so daß niemand mithören konnte. Er rief den Rettungsdienst an und sagte, in der Firma BOULDERS & MASTERSON habe es eine Auseinandersetzung mit Schußwaffen gegeben, drei Verletzte lägen dort, der eine wahrscheinlich im Wärterhaus, der zweite in der großen Halle links und der dritte irgendwo im Freien. Nach diesem solle man zuerst suchen, denn er sei vermutlich am schlimmsten dran. Und dann kam von der anderen Seite die Aufforderung: »Ihren Namen bitte, Mister, und Ihre Adresse!«
»Beeilen Sie sich, fahren Sie sofort hin!« schrie er in den Apparat und hängte ein. Er zahlte, lief hinaus, fuhr weiter.
Endlich die Klinik. Er hielt vor dem Hauptportal, nahm den Freund auf die Schulter. Die Türen öffneten sich automatisch, und dann stand er in der Aufnahme.
Die Schwester warf einen Blick auf den Ohnmächtigen, sah das Blut, das auf den Boden tropfte, telefonierte. Nach wenigen Augenblicken kam ein junger Mann, der sich den Fuß ansah und fragte: »Wie ist das passiert?«
Der weiße Kittel war noch nicht zugeknöpft, und das Gesicht des Mannes wirkte verschlafen. Federico glaubte, es mit einem Sanitäter zu tun zu haben, aber dann las er auf dem Namensschild: »Dr. H. Cookson.«
»Im Hafen. Beim Löschen. Er hatte die Nachtschicht und mußte eine Kiste mit Maschinenteilen dirigieren, aber sie rutschte aus dem Seil und fiel ihm auf den Fuß.« Diese Version hatte er sich schon während der Fahrt überlegt. »Und wieso dann nicht das Hafenkrankenhaus, sondern erst ein Weg von fünfzehn Meilen?«
»Ich kenn’ die Klinik hier, und ich wollte für ihn das Beste.«
»Geben Sie der Aufnahme alle erforderlichen Auskünfte!« sagte daraufhin der Arzt, und dann folgte er den Pflegern, die herbeigeeilt waren, Ernesto auf eine fahrbare Trage gelegt hatten und ihn nun wegschoben.
»Die Versicherungskarte, bitte!« Die junge weißgekleidete Frau hinter dem Tresen sah ihn durchaus freundlich an. »Er hat
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