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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Schule hatten wir an dem Tag unterrichtsfrei, marschierten statt dessen mit Musik und Fahnen durch die Stadt.«
»Nun«, meinte Olaf, »da wir nicht in Südamerika leben, werden wir morgen auch nicht feiern, aber ein kurzes Gedenken sollten wir, gerade wir, doch übrig haben für den Mann aus Genua, der uns vor einem halben Jahrtausend zeigte, wo’s langgeht.« Er wechselte über in sein Büro, setzte sich an den Schreibtisch und sah die eingegangene Post durch, schweifte dann aber doch noch einmal ab und dachte an das große Ereignis aus jener Zeit, in der die Portugiesen und Spanier die führenden Seemächte waren. Weil der Genuese die portugiesische Krone nicht für seinen Plan gewinnen konnte, den Seeweg nach Indien zu erkunden, wandte er sich an Isabella von Kastilien und schloß den Vertrag mit ihr.
Die faszinierenden Berichte seines ersten Geschichtslehrers kamen ihm in den Sinn, in denen vom Aufbruch der drei Karavellen, von den Entbehrungen der Männer, den Schwelbränden einer sich anbahnenden Meuterei und dem eisernen Willen des Anführers, die Mission zum Erfolg zu führen, die Rede gewesen war. 
    Schließlich kehrte er zu seiner Post zurück, diktierte die Antworten aufs Band. Damit verging der Vormittag. Zum Mittagessen fuhr er nach Haus. Um drei war er wieder in der Reederei, hatte dort nacheinander mehrere Besucher, einen Angestellten vom AMT FÜR SEESCHIFFAHRT UND HYDROGRAPHIE, einen Holzlieferanten aus Birma, der seine Geschäfte zwar schon mit Pageis und Jacob abgewickelt hatte, es sich aber nicht nehmen lassen wollte, den Senior wenigstens zu begrüßen, und einen Kapitän, der von einer norwegischen Reederei zu ihm überwechselte und soeben seinen Vertrag in der Personalabteilung unterschrieben hatte.
Um zwei Minuten vor fünf brach die Schreckensbotschaft über ihn herein. Der Prokurist Wessel erschien mit einem Fax in der Hand. Er war bleich wie der Tod, und so, als wäre ihm der Hals zugeschnürt, mußte er dreimal zum Sprechen ansetzen. Schließlich brachte er die Meldung, die soeben eingegangen war, nach nochmaligem Räuspern heraus: »Die OLGA ist vor der chilenischen Küste gesunken. Zwei Tote. Thomsen, der zweite Ingenieur, und der Maschinist Fernandez.«
»Was?«
Wessel legte das Blatt Papier auf den Schreibtisch. Auch Olaf war blaß geworden. Sobald er die kurze, aber unmißverständliche Nachricht der Agentur, die auf englisch abgefaßt war, gelesen hatte, blickte er wieder auf. Wessel zeigte auf einen Stuhl. 
    »Darf ich mich setzen?« 
    »Natürlich!«
»Mir zittern die Knie«, sagte der fast Sechzigjährige.
Olaf sah wieder auf das Papier. »Achtzig Meilen vor der Küste, schreiben die, und bei ruhiger See! Das ist …, und
Thomsen, mein Gott!«
»Er hatte gerade erst auf die OLGA übergewechselt.« »Seine arme Frau! Ich werde es ihr sagen, später, wenn wir Näheres wissen. Und Fernandez, kannten Sie ihn?« 
    »Ja. Er ist so um die Zwanzig und stammt aus Vigo.«
    Olaf schüttelte den Kopf. »Das ist immer das Furchtbarste, die Toten. Was um alles in der Welt kann da passiert sein? Küstennahes Gewässer und absolut ruhige See! Die OLGA ist zwar unser ältestes Schiff, aber achtzehn Jahre
machen einen Dampfer noch nicht zum Seelenverkäufer. Außerdem ist sie im vorigen Jahr in Bremerhaven grundüberholt worden.«
»Stimmt. Sie ist …, sie war ein prima Schiff.«
»Ich nehme an, daß Kapitän Hollmann uns anrufen wird. Und der Makler auch. Das heißt, bei Hollmann und den anderen wissen wir nicht, in welcher Verfassung sie sich befinden. Wenn zwei Tote zu beklagen sind, kann es auch Verletzte gegeben haben. Besser, ich rufe da jetzt an. 
Nein, Hagemann soll das machen! Die Südamerikaner sprechen ein reichlich exotisches Englisch, und diesmal kommt’s nun wirklich darauf an, jedes Wort zu verstehen.
Holen Sie Hagemann bitte mal her!« Wessel verließ das Büro und kam nach wenigen Augenblicken mit dem hoch aufgeschossenen jungen Mann zurück. 
    »Sie sprechen«, empfing ihn Olaf, »doch fließend Spanisch?«
»Ja, ich bin zweisprachig aufgewachsen.«
»Gut. Ich nehme an, Herr Wessel hat Ihnen von dem Unglück erzählt.«
»Ja. Es ist entsetzlich.«
»Sie müssen mit unserem Mann in der Agentur reden. Espinoza heißt er. Ich brauche genaue Informationen.«
Olaf suchte die Telefonnummer heraus, wählte, gab Hagemann den Hörer in die Hand und schob ihm einen Schreibblock hin. Danach folgten er und Wessel dem
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