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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wahrscheinlich nicht gesunken. Zwar hätte es die beiden Todesfälle wohl auch dann gegeben, aber die Fracht hätte für Auftrieb gesorgt. Die Ursache der Explosion wäre also mit Sicherheit zu ergründen gewesen.«
    »Du hast keine Ahnung, wie’s passiert sein kann?« 
    »Keinen blassen Schimmer.«
    »Ob womöglich Onkel John …«
    »Wenn du jetzt bei mir im Büro wärest, gäbe es an aller Volljährigkeit vorbei eine schallende Ohrfeige!«
    »Entschuldige, es war nur so eine verrückte Idee.« 
    »Wirklich total verrückt. Erstens ist dein Onkel John ein Ehrenmann, und zweitens brächte ihm ein solcher Schritt nicht den geringsten Vorteil.«
Sie verabschiedeten sich, und gleich darauf telefonierte Olaf mit Jenny.

8
    Eine Woche später hatte die BRISTOL INSURANCE COMPANY eine wenn auch außerordentlich vage Theorie über die Ursache des Unglücks aufgestellt. Ein Broker der Versicherung, Mister Freeman, hatte sie Olaf telefonisch unterbreitet, und nun würden eben dieser Freeman und sein Begleiter, ein Mister Chambers, mit der Mittagsmaschine der BRITISH AIRWAYS in Hamburg eintreffen und bei THEUNISSEN II – John als der Ältere hatte die Nummer I zugewiesen bekommen – einen Besuch machen.
    Frau Mischke, der Olaf kurzerhand die Rolle einer Empfangschefin zudiktiert hatte, war aufgeregt wie ein junges Mädchen vor dem ersten Tanzabend. Dabei war sie acht Jahre älter als ihr Chef. Nervös lief sie hin und her, so daß er schließlich sagte: »Frau Mischke, nun setzen Sie sich erst mal hin, und trinken Sie einen Kognak!«
    »Nein, das werde ich gewiß nicht tun!«
»Doch. Oder haben Sie es etwa darauf abgesehen, mich wahnsinnig zu machen mit der Unruhe, die Sie verbrei
    ten?« Er merkte, kaum daß die Worte heraus waren, daß er mit dieser Äußerung zu weit gegangen war, faßte also die zierliche Frau bei den Schultern, drückte sie sanft auf einen Stuhl und sagte: »Ist natürlich Unsinn, was ich da rede. In Wirklichkeit bin ich genauso aufgeregt wie Sie. Es ist meine erste schwere Havarie, und ich fürchte, die Jungs aus England werden uns ein bißchen einheizen wollen. Also, wir müssen zusammenhalten!« Der Aufruf zur Solidarität, vor allem aber das freimütige Eingeständnis seiner eigenen Anspannung sorgten für eine versöhnliche Reaktion der altgedienten Sekretärin. »Man kann uns nicht das geringste vorwerfen«, sagte sie. »Mit der OLGA war immer alles in Ordnung.«
    »Klar, aber das müssen wir denen erst mal beweisen.« Das kleine Intermezzo hatte gegen dreizehn Uhr stattgefunden, und nun, anderthalb Stunden später, waren sie im Konferenzraum versammelt, Olaf, Wessel, Hagemann, Mister Freeman und Mister Chambers, Frau Mischke und dazu noch Kapitän Hollmann und der Leiter der Inspektion, Herr Backhaus, der früher als Chief-Ingenieur auf der OLGA THEUNISSEN gefahren war. Es gab Kaffee und Gebäck.
    Steven Freeman, um die vierzig Jahre alt, groß, blond, hager und außerordentlich redegewandt, war passionierter Nichtraucher und bat denn auch, nachdem Olaf sich eine Zigarette angezündet hatte, daß man ein Fenster öffne. Die Außentemperatur betrug nur acht Grad, und so wehte, als Hagemann einen der Fensterflügel aufgestoßen und festgehakt hatte, sogleich ein kalter Luftzug durch den Raum. Freemans Begleiter war ein schon älterer Mann, auch groß, dabei aber etwas füllig, und sowohl seine Bewegungen wie seine Kommentare wirkten behäbig. Eine gewisse Gegnerschaft, das spürte Olaf vom ersten Moment an, ging vorwiegend von dem anderen aus. Das Gespräch wurde auf englisch geführt. Freeman sagte: »Herr Theunissen, Ihr Schiff, die OLGA THEUNISSEN, war ein Massengutfrachter und …«, er sah in die vor ihm liegenden Papiere, »achtzehn Jahre alt, also ein averaged vessel. «
    »Sie war zwar unser ältestes Schiff, aber in gutem Pflegezustand. Das werden die Klasse-Papiere und die Zertifikate bestätigen.« Freeman nickte. »Sicher. Was ich brauche, ist das Protokoll mit den Dicken-Messungen der Außenhaut und der Verbände. Sie wissen, im Juni 1990 hat der internationale Verband der Klassifikationsgesellschaften, die IAKS, verschärfte Kontrollen der Ballasttanks bei über fünfzehn Jahre alten Schiffen gefordert.« Er machte eine Pause, blätterte in seinen Akten, fuhr fort: »Im Juli dieses Jahres sind weitere einheitliche Bestimmungen in Kraft getreten, und diese Sondermaßnahmen haben durchaus ihren Sinn, denn bei alten Schiffen gibt es im Bereich der Tanks oft erhebliche Mängel,
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