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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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weitergeführt wurden. Daraufhin in die Staaten zu fliegen und die Söhne zu bitten, das Scheingeschäft mit ihm abzuschließen, hatte er zwar in seiner ersten Enttäuschung kurz erwogen, doch sogleich wieder verworfen. Abgesehen davon, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach auf Ablehnung gestoßen wäre, hätte das Ansinnen ein viel zu großes Risiko bedeutet. Womöglich hätten die beiden ihre brisante Kenntnis ausgeplaudert, so daß sein Vorhaben vielleicht sogar Olaf und Krogmann zu Ohren gekommen wäre. Dann hätte es vermutlich nicht einmal des vollzogenen Betrugs bedurft, ihn zu disqualifizieren, schon der Versuch hätte dazu geführt, denn mit ihm hätte er, ob nun erfolgreich oder nicht, die vom Onkel gesetzten moralischen Normen verletzt. Er lehnte sich zurück, schloß die Augen, war müde. Doch schlafen konnte er nicht, zu sehr deprimierte ihn der negative Ausgang seiner Reise. Wie sollte er Olafs Vorsprung jetzt noch wettmachen? Die Schafschur kam ihm in den Sinn, bei der Olaf vorn gelegen hatte, aber vom Großvater disqualifiziert worden war. Und gleich darauf fiel ihm ein anderer Wettkampf ein, nämlich das Jäten von Unkraut im Gemüsegarten des Haubargs. Die Pflanzen mußten, zu je zwanzig Stück gebündelt, abgeliefert werden, und pro Bund zahlte der Großvater fünf Pfennige. Da waren Sieg und Niederlage gleichermaßen verteilt gewesen. Mal hatte Olaf am Abend den größeren Betrag in der Tasche gehabt, mal er. Einmal war es Olaf passiert, daß er zwar nicht disqualifiziert, aber doch mit einem Abzug bestraft wurde, weil er wieder mehr auf Eile als auf Gründlichkeit bedacht gewesen war und die lästigen Kräuter nicht allesamt, wie gefordert, mit der Wurzel entfernt hatte. Da war der Großvater böse geworden und hatte gewettert: »Das ist schlimmer, als sie stehenzulassen, weil ich nun nicht mehr sehen kann, wo die Dinger stecken!«
    Es hatte auch rein sportliche Kämpfe gegeben, ein Wetteifern also, bei dem keinerlei Nutzen angestrebt wurde, so das Springen über die Siele, die das flache Wiesenland in einer Breite von drei bis vier Metern durchzogen. Sie trockenen Fußes zu überwinden war das Ziel gewesen, und da Olaf anderthalb Jahre jünger war, wurde für ihn jedesmal nach einer etwas schmaleren Stelle gesucht.
    Verdammt, dachte John, es war eine so schöne Zeit! Und jetzt? Jetzt ringen wir um Macht, um Besitz, um Prestige, lauter Ziele, denen man sich verschreibt, wenn man älter geworden ist und gelernt hat, dafür auch die Ellenbogen zu benutzen. Manchmal hab’ ich das Gefühl, ich sollte irgendwo einen mittleren Job machen, also auch nur mittlere Wünsche haben, die leicht zu befriedigen sind. Aber ich weiß natürlich genau, auf die Dauer wär’ das nichts für mich, und hinzu kommt. Ich hab’ eine Frau, die jedes Mittelmaß verabscheut.
    Er nahm einen Schluck von seinem Whisky und zündete sich dann eine Zigarette an. Außer ihm saßen zwei Männer und eine Frau in der Kabine. Sie hatten ihre Plätze auf der anderen Seite des Ganges. Seit dem Start hatte er ihr angeregtes Gespräch, wenn auch nicht verfolgt, so doch als Geräuschkulisse registriert. Nun hörte er eine Weile zu. Den verwendeten Anreden nach handelte es sich um Eltern mit ihrem Sohn. Es ging um die Frage, ob Ulli, der Sohn, den Wehrdienst verweigern solle oder nicht. Der Vater meinte nein, der Sohn ja, und die Mutter hielt zu ihrem Jungen. Auffallend war, daß nur ganz banale Gründe die eine wie die andere Meinung stützten. Etwas Schliff könnte dir nicht schaden, so der Vater, Mutter und Sohn lehnten sich gegen den Verzicht auf das schöne Zimmer im elterlichen Hause auf und hatten auch etwas gegen den Kasernenfraß, wie sie sich ausdrückten.
    Er hörte nicht mehr hin, dachte an seinen eigenen Sohn, dem der Militärdienst noch bevorstand. Es freute ihn, daß Carsten nicht zu den Verweigerern gehören würde. Ja, der Junge hatte sogar eine Zeitlang erwogen, den Militärdienst zu seinem Job zu machen und Berufsoffizier zu werden. Doch seit der Wettlauf der Theunissen-Schiffe begonnen hatte, war er zu der Überzeugung gelangt, daß es ihm besser bekäme, später mal statt eines Regiments eine Flotte anzuführen.
    Er hofft auf meinen Sieg, dachte John. Und erst Helga! Ich spüre immer wieder, wie sie darauf brennt, daß wir Erfolg haben. Ein weiteres Mal fiel ihm ein Spiel ein, bei dem Olaf und er Rivalen gewesen waren, und ihn erregte, mehr noch, ihn erschreckte die verblüffende Parallele zwischen dem Zeitvertreib
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