1992 Das Theunissen-Testament (SM)
zu Gegnern geworden, sondern unsere Familien auch. Mein Gott, wie oft waren unsere Frauen zusammen unterwegs, besuchten Konzerte oder gingen ins Theater! Und mit den Kindern war’s genauso, die trafen sich fast jede Woche. Jetzt aber ist es Monate her, daß wir Helga und Carsten und Hanna zu Gesicht bekommen haben. Alles wegen dieses verdammten Testaments! Wenn ich in der Zeitung unter der Rubrik ›Schiffsbewegungen‹ auf Johns Schiffe stoße, hab’ ich fast das Gefühl, der Feind zieht seine Kriegsflotte zusammen und geht demnächst zum Angriff über.« »So sollte es nun wirklich nicht sein.«
»Aber es ist so, und ich bin sicher, in John spielen sich ähnliche Konflikte ab. Und wie mag es erst sein, wenn die sechs Jahre herum sind und der eine die große Schlacht verloren hat!« Sie wandten sich vom Schaukasten ab, setzten ihren Weg fort, bestiegen den Paternoster.
»Ich hoffe, die familiäre Eintracht kehrt dann zurück«, sagte Krogmann.
Olaf schwieg darauf, wiegte nur den Kopf. Als sie das Gebäude verließen, sagte Krogmann: »Ich fahr’ Sie gern wieder zurück.«
»Danke, ein kleiner Fußweg tut mir jetzt ganz gut. Ich muß über das Kupfer nachdenken. Und über die Señora Muñoz Wilkinson, die – ohne es zu wissen – die beiden gegnerischen Seiten mit neuer Munition versorgt hat.«
Sie gaben sich die Hand. Krogmann stieg in seinen Wagen, und Olaf ging die Straße entlang, die rechter Hand von großen Häusern flankiert wurde und links den Blick auf den Hamburger Hafen mit seinen zahllosen Masten, Schornsteinen und Kränen freigab.
6
John saß in einem Flugzeug der IBERIA und war auf dem Weg von Málaga nach Hause. Olaf, schon wieder zurück aus Chile, hatte sich bereit erklärt, das Kupfer im ganzen zu übernehmen und ihn auszuzahlen. Einige Einzelfragen hatten allerdings zu langen Debatten geführt, so daß am Ende doch noch der Jurist hatte hinzugezogen werden müssen. Insbesondere um den Preis war ein hitziger Disput entstanden. Krogmann hatte schließlich erklärt, er komme sich vor wie auf einem orientalischen Basar, und so gehe das nicht weiter. Zuletzt hatten sie sich geeinigt, und dann war durch Olaf noch die Frage nach der Erbschaftssteuer aufgeworfen worden. Die falle, so Krogmanns Antwort, nach Ablauf von sechs Jahren an, vorher gebe es ja, von den Empfängern der Legate abgesehen, keine Erben. Chile allerdings habe bereits eine Steuer erhoben, die aber laut Testament der Frau Muñoz aus dem hinterlassenen Barvermögen zu entrichten sei. Erst am späten Abend – Olaf hatte zur Besiegelung des KupferDeals Champagner spendiert – waren sie auseinandergegangen. Jetzt, in seinem Boeing-Sessel der ersten Klasse, haderte John mit dem Resultat der langen Sitzung. Nicht die Höhe des ihm zugesprochenen Betrages war es, die ihn zornig machte, nein, ihn regte noch immer die fast obszöne Beflissenheit auf, mit der Olaf, sobald die Summe feststand, den Scheck über fast siebzehn Millionen Mark ausgestellt und ihm zugeschoben hatte. War diese Eile, so fragte er sich zum wiederholten Male, nicht ein Indiz dafür, daß er ein gutes Geschäft gemacht hat? So nach dem Motto. Bloß schnell den Scheck schreiben, damit der andere seine Meinung nicht doch noch ändert!? Ganz bestimmt ist es so gewesen, und einmal mehr wird er es sein, der seine Nase ein Stück weiter nach vorn bringt.
Indes, der Ausgang des Kupferhandels war nur einer der beiden Gründe, die für seine Niedergeschlagenheit sorgten. Der andere hatte sehr viel mehr Gewicht. Der Plan, Mortimer Finchley zur Bereitstellung eines großzügigen Kredits zu bewegen, war gescheitert, und das nicht nur vorläufig, sondern ein für allemal. Er hatte sein Kommen nicht angekündigt, war aber dennoch nicht auf gut Glück nach Spanien geflogen, denn das PLAYA-HERMOSADesaster hatte ohnehin noch einen Besuch vor Ort erfordert, weil mit Banken, Baufirmen und auch mit dem spanischen Notar abschließende Gespräche geführt werden mußten. Sein vorerst letztes Auftreten als Immobilienhändler sollte dann mit einer Stippvisite bei dem Freund verbunden werden. Doch als er dessen in maurischem Stil erbauten Palast in Marbella betreten hatte, erklärte ihm die Haushälterin, Señor Finchley habe vor vier Wochen einen Gehirnschlag erlitten, sei geistig verwirrt und halbseitig gelähmt und werde laut Auskunft der Ärzte die Klinik wohl nicht lebend verlassen. Außerdem hatte er erfahren, daß Finchleys Geschäfte von seinen beiden Söhnen, die in New York lebten,
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