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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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anonyme SKANDINAVIA-HOTEL entschieden. Am nächsten Tag war er mit der SAS nach Stockholm geflogen, hatte sich dort nur auf dem Flughafen aufgehalten und am Abend die AEROFLOT-Maschine genommen.
    Bis jetzt hatte sich der Paß des toten Julius Offermann bewährt, und er rechnete damit, daß es bei der Landung in Chile auch so sein würde. Danach wäre das Risiko der Ausweiskontrollen fürs erste überstanden, denn im Lande selbst kam es so gut wie nie zu einer Überprüfung von Personalpapieren. Einer seiner Holzlieferanten aus Valdivia war im dreiundzwanzigsten Jahr seiner Praxis als Autofahrer zum erstenmal nach dem Führerschein gefragt worden und hatte dann eingestehen müssen, daß er noch nie einen besessen habe. Die neuralgischen Punkte waren eben die Grenzübertritte. Zwei hatte er hinter sich, einer lag noch vor ihm, aber wer von den Kontrolleuren des Flughafens Santiago würde denn schon wissen, daß der Deutsche Julius Offermann längst unter der Erde lag?
    Er dachte an den Abschied von zu Haus. Jenny hatte ein erstaunliches Maß an Fassung, mehr noch, an Courage bewiesen und ihn in seinem Vorhaben bestärkt, wenn sie auch im Hinblick auf die möglichen Gefahren kein Hehl aus ihrer Sorge gemacht hatte. Mira war wieder sehr ängstlich gewesen, hatte seinen Plan dann aber doch begrüßt. »In der Schule«, hatte sie gesagt, »behandeln einige mich wie eine Aussätzige, und das wird nach deinem Untertauchen natürlich noch schlimmer, aber ich ertrag’s mit Fassung. Wenn du zurück bist, werden sie dumm dastehen.«
    Und Jacob schließlich hatte sich, wie gewohnt, als hilfsbereiter, verläßlicher Partner erwiesen. Seine von den Bahamas mitgebrachten Informationen enthielten keine Indizien für Johns Täterschaft. Mr. und Mrs. Theunissen hatten für vierzehn Tage im Hotel MALIBU eine Suite mit zwei Schlafzimmern gemietet und waren häufig zum Fischen hinausgefahren. Jeden Abend hatten sie im Hotel gegessen, so daß ein Abstecher nach Santiago auszuschließen war. Jacob hatte gleich nach seiner Ankunft einen Privatdetektiv namens Jeff Henderson engagiert, bei dessen Nachforschungen eine pikante Einzelheit abgefallen war. Zwei aufeinanderfolgende Nächte hatte Mrs. Theunissen außerhalb des Hotels verbracht. Sie war jeweils kurz vor Mitternacht von einem Schwarzen, der einen sandfarbenen BENTLEY fuhr, abgeholt worden. Auf seine beharrlichen Fragen hin hatte Henderson dann noch herausbekommen, daß die Dame im Fond des Wagens gesessen hatte, der Schwarze mithin wohl nur der Chauffeur gewesen war. Beide Male hatte er sie gegen fünf Uhr am Morgen zurückgebracht.
    Wie’s in der Ehe meines Vetters aussieht, dachte Olaf, während er sich in fast neuntausend Metern Höhe sein Bier schmecken ließ, geht mich nichts an. Für mich sind Helgas Eskapaden nur insofern von Bedeutung, als sie in diesen kurzen Nächten nicht nach Chile geflogen sein kann, um dort in Johns Auftrag zu konspirieren.
    Er sah aus dem Fenster, und der Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Anden lenkte ihn für eine Weile ab, ja, er spürte in sich sogar Freude darüber aufkommen, daß er nach den quälenden Wochen in der kleinen Zelle binnen Tagesfrist einen Ozean und einen Kontinent überflogen hatte und sich nun in so naher Nachbarschaft der vier-, fünf- und sechstausend Meter hohen Berge befand.
    Doch schon bald wandte er den Blick wieder ab von dem sonnenbeschienenen Gebirgspanorama und lehnte sich zurück, schloß die Augen, dachte an die anderen Stationen seines Aufbruchs. Der junge Türke und der Graukopf hatten ihn zum Hansaplatz bestellt, dort die zweite Quote kassiert und ihm den falschen Paß übergeben. Danach hatten sie noch gefragt, ob er vielleicht ein bißchen »Proviant« für die Reise brauche. Jede Art von Stoff könnten sie ihm besorgen, aber auch weitere Papiere. Er hatte höflich abgelehnt, und dann war die Zusammenkunft durch ein komplizenhaftes Händeschütteln beendet worden. Die Autofahrt mit Jacob an die dänische Grenze hatte er genossen. Nie zuvor waren sich Vater und Sohn so nahegekommen wie in diesen Stunden. Es hatte kaltes, trübes Wetter geherrscht. Einmal war ein Bombardement von haselnußgroßen Hagelkörnern auf sie niedergegangen und hatte sie gezwungen, am Straßenrand haltzumachen, aber das Getöse ringsum hatte sie nicht davon abgehalten, in aller Behaglichkeit von dem Kaffee zu trinken, den Jenny ihnen in einer Thermoskanne mitgegeben hatte. Draußen war es dunkel geworden wie zur Dämmerzeit, doch

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