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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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sagte außerdem, daß die Jungens, als die Schwedin sich im Schnee wälzte, durch die Fensterscheiben gestarrt hatten.«
    »Daraus«, warf Ernesto ein, »läßt sich aber auch schließen, daß beide Fenster auf der Rückseite sind. Die entscheidende Frage ist. Was bedeutet es, wenn man von einer Hütte sagt, sie steht an der Schneegrenze? Nach meiner Meinung ist dann anzunehmen, daß davor kein Schnee liegt. Demnach wäre die Frau hinter und nicht vor der Hütte gewesen, und das hieße, daß die Fenster hinten sind.«
    »Mit Wenn und Aber kommen wir jetzt nicht weiter«, sagte Olaf, »zumal die Schneegrenze keine feste Linie ist. Sie verschiebt sich je nach der Jahreszeit, und wir wissen nicht, ob es Sommer oder Winter war, als die ihre große Fete hatten.«
    »Hast recht«, erklärte Ernesto. »Jetzt ist hier Sommer, und der Schnee wird erst jenseits der Höhle anfangen. Also, ich finde auch, wir müssen es so machen, wie Federico sagt, uns im Dunkeln von oben ranschleichen.«
    »Leider haben wir grad Vollmond«, sagte Olaf. »Ja, aber sie werden, sofern sie überhaupt da sind, ihre Aufmerksamkeit nach vorn richten, und das heißt abwärts«, beendete Ernesto das Gespräch.
    Und dann gelang es Olaf sogar, eine Weile zu schlafen. Ernestos leiser Ruf, ganz dicht an seinem Ohr, weckte ihn: »Aufwachen! Besuch!«
    Es schien, als verwahrten sie ihre Waffen wohl doch am falschen Ort. Federico jedenfalls änderte das sofort, riß seine Tasche auf, fuhr mit der Rechten hinein und hielt gleich darauf die MAUSER in der Hand, entsicherte sie.
    Ernesto streckte seinen Arm aus und zeigte auf den jenseitigen Rand der Lavarinne, die sich vor ihnen hinzog. »Da! Ich schätze, es ist ein Puma.«
    Olaf sah hinüber. In nur vierzig bis fünfzig Metern Entfernung stand, reglos, die große gelbe Katze. Er zog den Reißverschluß seiner Tasche auf, holte ganz langsam das Fernglas heraus und schob es sich vors Gesicht. Ohne Mühe konnte er dem Tier in die Augen blicken, las darin weder Wut noch Furcht, nur Gelassenheit, den Gleichmut des Überlegenen eben. Jetzt sperrte der Puma sogar seinen Rachen auf, doch auch das deutete, wie Olaf fand, keine Angriffslust oder Gereiztheit an, sondern sah viel eher nach einem herzhaften Gähnen aus. Trotzdem, ungefährlich war die Begegnung nicht, das wußte er. »Ich dachte immer«, flüsterte Ernesto, »diese Burschen sind nur nachts unterwegs.«
    »Es sei denn«, antwortete Federico, »sie haben Hunger.« Er brachte seine MAUSER in Anschlag.
    »Bist du verrückt?« zischte Ernesto ihn an. »Vielleicht triffst du schlecht, verletzt ihn nur, und dann ist er doppelt gefährlich!«
    »Aber gesund ist er schnell auf den Beinen, viel schneller zum Beispiel als drei abgeschlaffte Europäer.«
    »Ein Puma greift keinen Menschen an!«
    »Doch! Wenn er nämlich nichts anderes findet. Als mein Schiff mal in San Diego lag, war ich mit einem Farmer auf Pumajagd. Da gibt’s die auch. Es gibt sie überall zwischen Kanada und Feuerland, und vorwiegend leben sie in den Bergen. Soviel ich weiß, ist dies ein Berg, und wahrscheinlich wohnt der Knabe hier irgendwo. Oder es ist ein Mädchen, mit Nachwuchs, im Bau oder im Bauch, was die Lage für uns nicht rosiger macht. Die Pumas stecken ihr Territorium ganz penibel ab, und wenn man da eindringt, greifen sie an.«
    »Trotzdem sollten wir nicht schießen«, sagte nun auch Olaf, »jedenfalls noch nicht.«
    Doch schon im nächsten Augenblick wurden sie der Frage, was zu tun sei, enthoben. Der Berglöwe reckte sein Haupt, senkte es wieder, drehte sich um und verschwand hinter der Kammlinie. »Verdammt!« schimpfte Federico. »Nun müssen wir auf Schritt und Tritt damit rechnen, daß der Kerl uns in die Quere kommt.«
    »Aber erst mal sind wir ihn los«, versuchte Ernesto seinen aufgebrachten Freund zu beruhigen.
»Wir hätten ihn auf andere Weise loswerden müssen!« Federico wiegte die MAUSER in der Hand und schob sie dann widerwillig unter seinen Gürtel.
Sie beendeten die Rast, gingen, Umbertos Skizze folgend, am Lavastreifen entlang, hintereinander, Olaf in der Mitte. Einmal unterbrach Ernesto das Schweigen und rief ihm zu: »Sehr schwedisch siehst du nicht aus, jedenfalls nicht von hinten.« Olaf drehte sich kurz um: »Guck lieber nach links und rechts in die Landschaft und paß auf, ob unser gelber Freund in der Nähe ist!«
Nach einer Viertelstunde glaubten sie, daß der Puma sich endgültig entfernt hatte. Um so überraschter waren sie, als sie ihn dann

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