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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Mulde, einen Granitblock vielleicht oder einen Buckel aus Lava. Zu allem Übel kam nun auch noch die Sonne, die der breite Kegel vorher so schön verdeckt hatte, neben dem Berg zum Vorschein. Ihr tiefer Stand machte, daß sie geblendet waren. Die Suche wurde für Federico immer schwieriger. Schließlich sagte er denn auch zu Ernesto: »Du mußt mich ablösen! Kaum hab’ ich das Ding an den Augen, seh’ ich vor lauter Licht nur noch Kringel und Sterne.« Endlich, sie waren schon seit fast anderthalb Stunden in Richtung Ostnordost unterwegs, kam das erlösende Wort von Ernestos Lippen: »Ich hab’ sie!«
Sofort warfen sie sich auf den Boden. Olaf ließ sich das Fernglas geben, und nach einigem Suchen machte auch er die Hütte aus. Sie stand ein gutes Stück unterhalb des Schnees, war nur schwach zu erkennen vor dem dunklen Hang. Er hielt das Glas Federico hin und sagte: »Man muß ganz konzentriert gucken. Dann kommen die Umrisse langsam raus und zum Glück auch die der beiden Fenster.«

27
    Sie waren zunächst nach links ausgeschert, hatten dann in weitem Abstand die Hütte passiert und schließlich die Schneezone erreicht. Nun, nach Einbruch der Dunkelheit, bewegten sie sich in der entgegengesetzten Richtung, gingen bergab. Der Mond stand noch hinter dem Monte Osorno, und so durchschritten sie ein breites Schattenfeld und durften hoffen, unentdeckt zu bleiben, jedenfalls zunächst. Dieser besondere Schutz brachte jedoch den Nachteil mit sich, daß die Hütte vermutlich schwer wiederzufinden war, zumal sie wegen der Hanglage rückwärtig noch weniger Außenhöhe haben würde als an der Vorderfront. Doch Federico war zuversichtlich. Sie hatten ja ihren Kompaß, mit dem er, der Seemann, gut umzugehen verstand. Und er sollte recht behalten. Aber als der kleine, flache, in den Berg geduckte Bau endlich sichtbar wurde, waren sie ihm schon so nahe, daß der Schreck ihnen in die Glieder fuhr. Was, wenn man in der Hütte ihre Schritte gehört hatte?
    Sie setzten sich erst mal hin, verharrten lange so, lauschten. Doch nichts geschah.
»Das hätte ins Auge gehen können«, flüsterte Federico. »Ja, aber wir haben Glück gehabt«, antwortete Ernesto, und dann fragte er: »Wie gehen wir vor?«
»Ich schleich’ mich erst mal allein ran«, sagte Federico, »guck’ mich ein bißchen um und komme zurück.«
»Paß aber auf«, warnte Olaf, »daß deine Füße kein Geröll in Gang setzen!«
»Na klar.«
»Ich tippe«, sagte Ernesto, »die Hütte ist leer. Wir müßten sonst irgendwo Licht sehen, wenigstens einen kleinen Schimmer.« Doch Federico war anderer Meinung. »Strom«, antwortete er, »haben sie nicht, und Kerzenlicht ist zu schwach. Das würden wir von hier aus nicht sehen. Außerdem können sie die Fenster verdunkelt haben. Also, ich geh’ jetzt.« Er stand auf und entfernte sich mit ganz behutsamen Schritten. »Ich glaub’ auch, daß die Hütte leer ist«, sagte Olaf. »Was machen wir dann?«
Ernesto antwortete nicht gleich, überlegte erst mal. »Dann besuchen wir die Muñoz-Familie«, meinte er schließlich, »und wenn das auch nichts bringt, verbünden wir uns mit der Presse. Oder wir versuchen, an den Zünder ranzukommen. Irgendwie, verdammt noch mal, muß es weitergehen! Du kannst nicht nach Deutschland zurückfliegen und sagen, Leute, eigentlich wollte ich meine Unschuld beweisen, aber leider hat es damit nicht geklappt. Dann sperren sie dich wieder ein, und ein zweites Mal kommst du nicht auf Kaution raus.«
»Düstere Aussichten«, sagte Olaf. Wieder, wie so oft, gingen seine Gedanken zu Jenny und den Kindern. Sie bauten auf ihn, vertrauten darauf, daß er brauchbare Resultate mitbrachte. Fürs erste hatten sie sich mit der Selbstmord-Theorie einen Schutzwall errichtet, der es ihnen erlaubte, allen Anwürfen auszuweichen, aber es war ja nur eine kurzfristige Lösung. »Düstere Aussichten«, sagte er noch einmal und starrte dann auf das Dach der Hütte und versuchte auch, Geräusche auszumachen. Aber nichts war zu hören. Federico muß, dachte er, wie eine Katze dort herumschleichen. Der Puma fiel ihm ein, und ihm ging durch den Kopf, daß Federico einen kalifornischen Farmer auf einer Pumajagd begleitet hatte. Warum jagt man solche Tiere? überlegte er. Das Fleisch? Wohl kaum. Das Fell? Vielleicht als Trophäe. Zimmerschmuck dieser Art hatte er schon in so manchem Privathaus gesehen und sich oft gefragt, ob der wohl dazu dienen solle, den Leuten das Gefühl zu geben, Sieger zu sein, egal, ob sie das Tier

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