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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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vor.
»Bitte, setzen Sie sich doch«, forderte Oswald ihn auf.
»Möchten Sie einen Kaffee? Er ist ganz frisch.«
»Nein danke, ich will es kurz machen.« Der Kommissar zog ein Foto aus seiner Jackentasche, hielt es den Geschwistern hin, ehe er es auf den Tisch legte und fragte:
»Kennen Sie diese Personen?«
Sie waren geschult genug, um zu überblicken, welche Fragen von offizieller Seite, die ja immer auch Fangfragen sein konnten, getrost verneint werden durften. Diese gehörte nicht dazu, denn ein Polizist, der ihnen ein Gruppenfoto zeigte, auf dem auch ihr Vater zu sehen war, wußte ohnehin Bescheid.
»Der hier ist unser Vater«, erklärte Oswald denn auch, indem er auf Frank Kopjella wies, und Annegret nickte.
»Können Sie mir sagen, wo er sich zur Zeit aufhält?«
Oswald hob die Schultern an. »Keine Ahnung! Wir wüßten das selbst gern. Seit der Wende haben wir von ihm weder was gesehen noch gehört.«
»Haben Sie eine Vermißtenanzeige aufgegeben?«
»Unsere Mutter hat das gemacht«, erwiderte Annegret, »aber es hat nichts erbracht. Wir kommen gerade von ihr, haben sie übers Wochenende besucht.«
»Was machen Sie beide in Hamburg?«
»Wir studieren«, antwortete Oswald, »meine Schwester Germanistik und Slawistik, ich Betriebswirtschaft.«
»Und wovon leben Sie?«
»Wir beziehen Bafög.«
»Davon können Sie sich diese Wohnung leisten?«
»Wir verdienen was nebenher, meistens nachts, weil wir tagsüber im Hörsaal sitzen. Ich belade Schiffe, meine Schwester sortiert Post. Das bringt uns zusammen einen Tausender extra im Monat.«
»Wann haben Sie Ihren Vater zum letzten Mal gesehen?«
»Ich sagte doch, kurz nach der Wende. Da hieß es plötzlich, er müsse verreisen, sei aber bald zurück. Er fuhr dann auch los, und seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht. Aber er hat auch nicht geschrieben, und das läßt auf zwei Möglichkeiten schließen. Entweder ist ihm was zugestoßen, oder er hat uns verlassen, das heißt, unsere Mutter. Wir beide sind ja schon flügge.«
»Und eine dritte Möglichkeit sehen Sie nicht?« fragte Granzow.
Oswald tat, als dächte er nach. »Natürlich, ’ne andere Frau«, erwiderte er schließlich, »nur wäre die ja unter Punkt zwei zu verbuchen.«
Granzow nickte. »Das seh’ ich auch so, aber ich meinte etwas ganz anderes. Immerhin war Ihr Vater StasiOffizier, und daher könnte man durchaus auf den Gedanken verfallen, daß er untergetaucht ist.«
»Untergetaucht?« kam es von beiden wie aus einem Mund.
»Ja, um sich der Verfolgung zu entziehen.«
»Aber …«, Oswald schien nach Worten zu suchen, »warum sollte er sich verstecken? Er hatte seinen Beruf, wie andere auch ihren Beruf hatten oder noch haben.«
»Na ja«, der Kommissar lächelte die Geschwister an, »es gibt Situationen, die einen Menschen in Konflikt bringen können mit den Gesetzen, vor allem dann, wenn plötzlich neue gelten.«
Schon das Lächeln hatte Oswald mißfallen, aber verschwommene Belehrungen waren erst recht nicht nach seinem Geschmack. »Man kann«, entgegnete er scharf, »mit seinem Handeln nur zu jenen Gesetzen in Konflikt geraten, die zum Zeitpunkt dieses Handelns gelten. Wenn ich am 20. April 1945 ausgerufen hätte: ›Lang lebe Hitler!‹, wäre das in Ordnung gewesen. Ein Jahr später wäre ich dafür bestraft worden.«
Granzow liebte Wortgefechte, und so konterte er, wohlwissend, daß er damit am Kern der Sache vorbeiredete: »Da hätte es ja auch keinen Sinn mehr gehabt, denn da war er schon tot.«
Er nahm das Foto auf, betrachtete es eine Weile und fragte dann:
»Wissen Sie, wer die anderen Personen sind?«
Wieder antworteten beide gleichzeitig: »Nein.«
Er steckte das Bild ein. »Kennen Sie einen Mann namens Horst Fehrkamp?«
»Ja«, erwiderte Oswald, »aber nur dem Namen nach. Er ist ein Kollege unseres Vaters.«
»Er ist tot. Es stand in der Zeitung.«
»Das haben wir nicht gelesen«, sagte Annegret. »Möglicherweise wurde er ermordet«, sagte Granzow.
Nun gaben sie sich erschrocken, waren es aber nicht, denn sie hatten sehr wohl über Fehrkamps Tod und die mutmaßliche Fremdeinwirkung gelesen, darüber auch mit der Mutter gesprochen.
»Ermordet?« entsetzte sich Annegret, und Oswald fragte:
»Weiß man, von wem?«
»Nein«, antwortete Granzow, und dann ging es gleich weiter:
»Was sagt Ihnen der Name Kämmerer? Paul Kämmerer.«
»Mir nichts«, meinte Annegret.
Auch Oswald gab eine negative Antwort, und damit waren sie diesmal bei der Wahrheit geblieben.
»Was ist mit dem?« fragte

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