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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Krankenhaus musste. Sie hatte es völlig vergessen. Aber bis fünfzehn Uhr hatte sie noch viereinhalb Stunden Zeit. Bis dahin waren ihre Kopfschmerzen sicher verschwunden, und ihr Kopf würde auch wieder klarer sein.
    Sie machte sich heißen Kaffee und schüttete mit Gewalt mehrere Tassen in sich hinein. Dann kehrte sie nur im Bademantel ins Bett zurück und verbrachte den späten Vormittag damit, an die Decke zu starren. Zu mehr konnte sie sich nicht aufraffen. An der Decke gab es nichts Interessantes zu sehen, aber darüber konnte man sich nicht beschweren. Eine Decke war schließlich nicht dazu da, die Menschen zu unterhalten. Der Uhr nach war es Mittag, aber sie hatte keinen Appetit. Der Lärm der Autos und Motorräder dröhnte noch immer unangenehm in ihrem Kopf. Sie hatte zum ersten Mal einen waschechten Kater.
    Dennoch schien der Geschlechtsverkehr ihr gutgetan zu haben. Von einem Mann umarmt, nackt gesehen zu werden, gestreichelt, geleckt, gebissen, penetriert zu werden und mehrere Orgasmen zu erleben, hatte die Spannungen in ihrem Körper gelöst. Der Kater war natürlich lästig, aber ein Gefühl der Befreiung entschädigte sie dafür.
    »Aber endlos kann ich nicht so weitermachen«, dachte Aomame. »Wie lange kann ich es wohl? Ich bin fast dreißig. Und dann werde ich bald vierzig.«
    Sie beschloss, dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Darüber konnte sie ein anderes Mal in Ruhe nachdenken. Im Augenblick drängte sie ja nichts. Wenn sie ernsthaft darüber nachdachte, dann …
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Es schrillte in ihren Ohren. Es fühlte sich an, als würde sie in einem Schnellzug aus einem Tunnel herausrasen. Sie stolperte aus dem Bett und nahm den Hörer ab. Die große Wanduhr zeigte halb eins.
    »Aomame?«, sagte eine etwas raue Frauenstimme. Es war Ayumi.
    »Ja«, sagte Aomame.
    »Wie geht es dir? Du klingst, als wärst du gerade von einem Bus überfahren worden.«
    »Ungefähr so fühle ich mich auch.«
    »Kater?«
    »Hm, einen ziemlich üblen«, sagte Aomame. »Woher hast du meine Telefonnummer?«
    »Weißt du nicht mehr? Du hast sie aufgeschrieben und mir gegeben. Und gesagt, wir sollten uns bald wieder treffen. Meine Nummer müsste auch in deinem Portemonnaie stecken.«
    »Stimmt. Ich kann mich an nichts erinnern.«
    »Hm. Das hatte ich schon vermutet und war ein bisschen besorgt. Ich dachte, ich rufe lieber mal an«, sagte Ayumi. »Hab mich gefragt, ob du gut nach Hause gekommen bist. Du bist an einer Kreuzung in Roppongi in ein Taxi gestiegen und hast irgendeine Adresse genannt.«
    Aomame seufzte. »Ich weiß nicht mehr, wie, aber irgendwie muss ich es geschafft haben. Immerhin bin ich in meinem Bett aufgewacht.«
    »Glücklicherweise.«
    »Was machst du gerade?«
    »Ich arbeite natürlich«, sagte Ayumi. »Um zehn bin ich in meinen Streifenwagen gestiegen. Seither jage ich Falschparker. Im Moment habe ich Pause.«
    »Respekt«, sagte Aomame bewundernd.
    »Klar habe ich zu wenig geschlafen. Aber gestern Abend war großartig. So in Stimmung war ich noch nie. Das war nur dir zu verdanken, Aomame.«
    Aomame presste einen Finger gegen die Schläfe. »An die zweite Hälfte des Abends kann ich mich ehrlich gesagt fast gar nicht erinnern. Das heißt, an das, was passiert ist, nachdem ihr in unser Zimmer gekommen seid.«
    »Das ist aber schade«, sagte Ayumi ernsthaft. »Dann wurde es nämlich richtig wild. Wir haben zu viert alles Mögliche gemacht. Kaum zu glauben. Wie in einem Pornofilm. Du und ich waren nackt und haben so eine Lesbennummer abgezogen. Und dann, weißt du …«
    Verwirrt unterbrach Aomame ihren Bericht. »Egal. Aber haben wir auch Kondome benutzt? Ich weiß es nicht mehr, und das macht mich unruhig.«
    »Natürlich. Alles in Ordnung, denn da passe ich genau auf. Ich hetze ja nicht nur Verkehrssündern hinterher. Ab und zu besuche ich auch die Oberschulen in meinem Bezirk. Dann rufe ich die Schülerinnen in der Aula zusammen und zeige ihnen ausführlich, wie man Kondome benutzt.«
    »Ach?«, sagte Aomame erstaunt. »Warum macht die Polizei das?«
    »Eigentlich ist es meine Aufgabe, an Schulen über die Gefahren von Vergewaltigungen durch Bekannte, den Umgang mit Perversen und die Prävention von Sexualverbrechen zu informieren. Den Kondomunterricht hänge ich quasi als persönliche Botschaft an. Ich erkläre den Mädchen, dass Sex an sich nichts Schlimmes ist, solange sie nicht schwanger werden oder eine Geschlechtskrankheit bekommen. So was eben. Die Lehrer machen

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