1Q84: Buch 1&2
angehen.«
Sie stiegen in eine Bahn und fuhren zu Aomames Apartment in Jiyugaoka. Es war noch vor elf Uhr. Die beiden waren angeheitert und fühlten sich angenehm schläfrig. Aomame machte auf dem Sofa ein Bett zurecht und lieh Ayumi einen Pyjama.
»Darf ich noch zu dir ins Bett? Nur ganz kurz kuscheln. Kein Gefummel. Versprochen«, sagte Ayumi.
»Na gut«, sagte Aomame. Schon bemerkenswert: Eine Frau, die bisher drei Männer getötet hatte, und eine Polizistin legten sich zusammen in ein Bett. Es ging doch sonderbar zu auf dieser Welt.
Ayumi schlüpfte in ihr Bett und schlang beide Arme um Aomame. Ihre festen Brüste wurden gegen Aomames Arm gepresst. Ihr Atem roch nach einer Mischung aus Alkohol und Zahnpasta.
»Du, Aomame? Findest du, dass meine Brüste zu groß sind?«
»Nein, gar nicht. Sie sind sehr schön.«
»Aber Frauen mit großen Brüsten gelten doch als dumm. Außerdem wabbeln sie, wenn man rennt, ganz zu schweigen von der Peinlichkeit, BHs zum Trocknen aufzuhängen, die wie zwei Salatschüsseln aussehen.«
»Männer scheinen eine Vorliebe für große Brüste zu haben.«
»Außerdem sind meine Brustwarzen zu groß.«
Ayumi knöpfte den Pyjama auf, holte eine Brust hervor und zeigte Aomame die Brustwarze. »Guck mal. Riesig, oder? Findest du das nicht abartig?«
Aomame betrachtete die Brustwarze. Sie war tatsächlich nicht gerade klein, aber auch nicht auffallend groß. Vielleicht ein bisschen größer als die von Tamaki. »Sieht doch hübsch aus. Hat dir einer gesagt, sie seien zu groß?«
»Ja, so ein Typ. So riesige Brustwarzen hätte er noch nie gesehen.«
»Dann hat er noch nicht viele gesehen. Die sind doch ganz normal. Nur meine sind zu klein.«
»Aber deine Brüste gefallen mir unheimlich gut. Ihre Form ist elegant, das macht einen intelligenten Eindruck.«
»Quatsch. Sie sind zu klein. Außerdem sind sie asymmetrisch. Deshalb habe ich Schwierigkeiten, BHs zu finden. Ich brauche verschiedene Größen für rechts und links.«
»Aha. So hat jeder seine Probleme.«
»Genau so ist es«, sagte Aomame. »Also, schlaf jetzt.«
Ayumi streckte die Arme nach unten aus und versuchte ihre Hände unter Aomames Pyjama zu schieben. Aomame hielt sie fest und drückte sie beiseite.
»Lass das. Du hast es doch eben versprochen, oder nicht? Kein Gefummel.«
»Tschuldige.« Ayumi zog ihre Hände zurück. »Stimmt, ich habe es ja gerade versprochen. Ich muss betrunken sein. Aber ich schwärme für dich, Aomame. Wie eine verträumte Oberschülerin.«
Aomame schwieg.
»Das Wichtigste bewahrst du für diesen Jungen auf, oder?«, fragte Ayumi leise. »Darum beneide ich dich. Dass du einen Menschen hast, für den du alles tun würdest.«
Mag sein, dachte Aomame. Aber was ist wohl das Wichtigste für mich?
»Schlaf jetzt«, sagte sie. »Du kannst dich an mich schmiegen, bis du einschläfst.«
»Danke«, sagte Ayumi. »Tut mir leid, dass ich dich nerve.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, antwortete Aomame. »Du nervst nicht.«
Aomame spürte Ayumis warmen Atem, in der Ferne bellte ein Hund, irgendwo schlug jemand ein Fenster zu. Währenddessen streichelte sie die ganze Zeit Ayumis Haar.
Als Ayumi eingeschlafen war, verließ Aomame das Bett. Es sah ganz so aus, als würde sie die Nacht auf dem Sofa verbringen. Sie nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und trank zwei Gläser. Dann trat sie auf den kleinen Balkon hinaus, setzte sich auf den Aluminiumstuhl und schaute auf die Straße. Die Nacht war mild. Der Lärm der fernen Straßen, den der leichte Wind zu ihr herübertrug, klang wie künstliches Meeresrauschen. Es war nach Mitternacht, und der Schein der Neonlichter war schwächer geworden.
Aomame sprach in Gedanken mit Tamaki. »Ich mag diese junge Frau, Ayumi heißt sie, richtig gern. Ich möchte mich ihrer ein bisschen annehmen. So gut ich eben kann. Seit du tot bist, lebe ich ohne jede engere Beziehung dahin. Eigentlich wollte ich keine neue Freundin. Aber Ayumi habe ich ganz spontan ins Herz geschlossen. Warum, weiß ich nicht. Bis zu einem gewissen Grad kann ich ihr sogar ehrlich sagen, was ich fühle. Natürlich ist sie ganz anders als du. Du bist ein ganz besonderes Wesen. Wir sind zusammen erwachsen geworden. Kein anderer Mensch kann dich jemals ersetzen.«
Aomame legte den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel hinauf. Sie verlor sich in den Weiten ihrer Erinnerung. Sie dachte an die Zeit, die sie mit Tamaki verbracht hatte, an die Dinge, die sie einander
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