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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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vorherbestimmt. Dann wäre so etwas wie ein freier Wille nur unser subjektiver Eindruck. Mitunter glaube ich, es ist so.«
    »Diese Perspektive finde ich ziemlich trübsinnig.«
    »Mag sein.«
    »Aber wenn du jemanden hast, den du wirklich liebst, auch wenn er vielleicht das Letzte ist oder dich gar nicht wiederliebt, ist das Leben zumindest keine Hölle. Wenn auch manchmal ein bisschen trübsinnig.«
    »Stimmt.«
    »Weißt du, Aomame«, sagte Ayumi. »Ich glaube, auf dieser Welt gibt es keine Vernunft, und an Güte fehlt es auch.«
    »Kann sein«, sagte Aomame. »Aber das lässt sich wohl jetzt nicht mehr ändern.«
    »Das Rückgabedatum ist abgelaufen«, sagte Ayumi.
    »Und die Quittung weggeschmissen.«
    »Könnte man sagen.«
    »Die Welt verlischt in einem Augenblick.«
    »Das wäre lustig.«
    »Und das Königreich kommt.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte Ayumi.
    Die beiden verzehrten ihr Dessert, tranken noch einen Espresso und teilten die (erstaunlich niedrige) Rechnung. Anschließend tranken sie in einer Bar in der Nähe noch einen Cocktail.
    »Guck mal, Aomame, der da drüben, könnte der nicht dein Typ sein?«
    Aomame sah hinüber. Ein großer Mann mittleren Alters stand allein am Ende der Bar und trank einen Martini. Er war der Typ, der in der Schule gut in Sport gewesen und nun in die Jahre gekommen war. Sein Haar hatte sich schon etwas gelichtet, aber sein Gesicht wirkte noch jugendlich.
    »Ja, kann sein, aber heute will ich keinen Mann«, sagte Aomame entschieden. »Außerdem ist das hier eine seriöse Bar.«
    »Ich wollte es dir nur sagen.«
    »Nächstes Mal wieder, ja?«
    Ayumi sah Aomame ins Gesicht. »Heißt das, wir gehen wieder mal zusammen los? Auf die Pirsch?«
    »Klar«, sagte Aomame. »Machen wir.«
    »Super. Ich habe das Gefühl, mit dir zusammen kann ich alles schaffen.«
    Aomame trank von ihrem Daiquiri und Ayumi von ihrem Tom Collins.
    »Übrigens, du hast doch letztes Mal am Telefon gesagt, wir hätten da so was Lesbisches gemacht. Was war das denn?«
    »Ach das«, sagte Ayumi. »Nichts Großartiges. Nur um es aufregender zu machen. Erinnerst du dich gar nicht? Immerhin warst du ziemlich erregt.«
    »Ich erinnere mich an gar nichts. Totaler Blackout«, sagte Aomame.
    »Wir waren nackt und haben unsere Brüste gestreichelt und uns dort geküsst …«
    »Dort geküsst?« Aomame blickte sich hastig um. Es war ruhig in der Bar, und sie hatte viel zu laut gesprochen. Glücklicherweise schien niemand sie gehört zu haben.
    »Nur so pro forma. Ohne Zunge.«
    »Du meine Güte.« Aomame presste sich die Finger gegen die Schläfen und seufzte. »Unglaublich, was ich alles gemacht habe.«
    »Tut mir leid«, sagte Ayumi.
    »Schon gut. Du kannst ja nichts dafür. Ich darf mich eben nicht so besaufen.«
    »Aber du wirktest so unschuldig. Man hatte das Gefühl, es sei ganz neu für dich.«
    »Weil es auch ganz neu für mich war«, sagte Aomame.
    »Noch nie gemacht?«
    Aomame schüttelte den Kopf. »Nie. Hast du lesbische Neigungen?«
    Ayumi schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe das auch zum ersten Mal im Leben gemacht. Wirklich. Aber ich war ziemlich betrunken. Außerdem fand ich es okay, weil du es warst. Man kann doch zum Spaß mal so tun. Und du, Aomame, magst du Frauen?«
    »Nein, kein Interesse. Aber ich habe so etwas mal mit einer guten Freundin gemacht, als ich noch auf der Schule war. Wir hatten es gar nicht geplant, es hat sich einfach irgendwie ergeben, weißt du.«
    »So was kommt vor. Und hast du damals etwas empfunden?«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte Aomame offen. »Aber das war das einzige Mal. Ich fand, wir durften das nicht tun.«
    »Ihr durftet nicht?«
    »Damit meine ich nicht, dass ich es verboten oder schmutzig fand. Ich fand nur, wir – sie und ich – sollten keine solche Beziehung haben. Unsere Freundschaft war mir sehr wichtig, und ich wollte sie nicht auf eine andere, vielleicht vulgäre Ebene ziehen.«
    »Aha«, sagte Ayumi. »Du, Aomame, dürfte ich heute vielleicht bei dir übernachten? Ich möchte jetzt nicht ins Wohnheim zurück. Dann wäre die ganze schöne Eleganz mit einem Schlag wieder dahin.«
    Aomame nahm den letzten Schluck von ihrem Daiquiri und stellte das Glas auf die Theke. »Du kannst bei mir schlafen, aber keine Spielchen.«
    »O ja, danke. Und nein, natürlich keine Spielchen. Ich möchte nur noch ein bisschen mit dir zusammen sein. Ich schlafe, wo Platz ist, ganz egal. Auch auf dem Fußboden. Außerdem habe ich morgen frei und kann es langsam

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