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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Haustiere behandelt, wie ein Gegenstand, den man hinauswerfen, verkaufen und wie einen Hund mit dem Fuß stoßen kann. Trotzdem liebkosen die Giljaken zwar ihre Hunde, aber niemals ihre Frauen. Die Ehe ist eine nichtige Angelegenheit, sie ist unwichtiger als beispielsweise ein Trinkgelage und wird ohne religiöse oder abergläubische Bräuche arrangiert. Der Giljak tauscht einen Speer, ein Boot oder einen Hund gegen ein junges Mädchen ein, nimmt sie mit in seine Jurte und legt sich mit ihr aufs Bärenfell – das ist alles. Polygamie ist gestattet, sie hat sich aber nicht sehr durchgesetzt, obwohl es anscheinend mehr Frauen gibt als Männer. Die Verachtung der Frau als Gegenstand nimmt beim Giljaken solche Ausmaße an, dass er in der Frauenfrage sogar die Sklaverei im wahrsten und schlimmsten Sinne dieses Wortes nicht anstößig findet. Offenbar ist die Frau bei ihnen das gleiche Handelsobjekt wie Tabak oder Baumwolle. Der schwedische Schriftsteller Strindberg, ein bekannter Weiberfeind, für den die Frau nur Sklavin zu sein und den Launen des Mannes zu dienen hat, ist eigentlich ein Gesinnungsfreund der Giljaken. Wenn er einmal nach Nordsachalin gekommen wäre, hätten sie ihn lange umarmt.«
    Hier machte Tengo eine Pause, aber Fukaeri schwieg nur, ohne eine Reaktion zu zeigen. Tengo fuhr fort.
    »Sie haben kein Gericht und wissen nicht, was Rechtsprechung bedeutet. Wie schwer es ihnen fällt, uns zu verstehen, sieht man beispielsweise daran, dass sie bis jetzt nicht ganz die Bestimmung von Wegen verstehen. Sogar dort, wo schon Wege angelegt sind, wandern sie immer quer durch die Taiga. Man kann oft sehen, wie sie, ihre Familien und die Hunde sich im Gänsemarsch mühsam durch das Moor bewegen, und zwar neben dem Weg.«
    Fukaeri hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Tengo beobachtete eine Weile ihr Gesicht, konnte aber nicht erkennen, ob sie schlief oder nicht. Er beschloss, weiterzulesen, und schlug eine andere Seite auf. Vielleicht würde sie dann noch tiefer schlafen. Außerdem hatte er große Lust, Tschechows Text laut vorzulesen.
    »An der Mündung der Najba stand früher Fort Nabuči. Es wurde 1866 gegründet. Micul fand hier achtzehn Gebäude, sowohl bewohnte als auch unbewohnte, eine Kapelle und ein Proviantmagazin vor. Ein Korrespondent, der 1871 in Nabuči weilte, schreibt, hier hätten sich zwanzig Soldaten unter dem Kommando eines Junkers aufgehalten. In einer der Hütten habe ihn eine hübsche, hochgewachsene Soldatenfrau mit frischen Eiern und schwarzem Brot bewirtet und habe sich sehr lobend über die hiesige Lebensweise ausgesprochen und nur beklagt, dass der Zucker zu teuer sei. Jetzt ist von diesen Hütten keine Spur mehr da und die hübsche, hochgewachsene Soldatenfrau kommt einem, blickt man auf die Wüste ringsumher, wie ein Mythos vor. Ein neues Haus wird hier gebaut, ein Aufseherhaus oder eine Station, aber das ist alles. Das Meer, das kalt und glanzlos aussieht, tost, und hohe graue Wellen stürzen sich auf den Strand, als wollten sie voller Verzweiflung sagen: ›Herrgott, wozu hast du uns geschaffen?‹ Da ist nun schon der Große oder Stille Ozean. An diesem Ufer von Nabuči hört man, wie die Sträflinge auf der Baustelle mit ihren Äxten hantieren, und am jenseitigen Ufer, dem weit entfernten, kaum vorstellbaren, liegt Amerika. Zur Linken und zur Rechten sieht man im Nebel die Sachaliner Vorgebirge … und keine lebendige Seele ringsum, kein Vogel, keine Fliege, und es dünkt einen unbegreiflich, für wen die Wellen tosen, wer ihnen hier in der Nacht zuhört, wenn ich fort bin. Hier am Ufer überkommen einen nicht Gedanken, sondern nur schwere Grübeleien. Es wird einem unheimlich zumute, und doch möchte man ewig so dastehen, auf das eintönige Wogen der Wellen schauen und ihrem furchterregenden Tosen lauschen.«
    Fukaeri schien nun ganz fest zu schlafen. Wenn er genau hinhörte, konnte er ihre ruhigen Atemzüge hören. Tengo schloss das Buch und legte es auf den kleinen Tisch neben dem Bett. Er stand auf und löschte das Licht im Schlafzimmer. Zum Schluss warf er noch einmal einen Blick auf Fukaeri. Sie lag friedlich auf dem Rücken, die Lippen aufeinandergepresst. Tengo schloss die Schlafzimmertür und ging in die Küche.
    Aber er war nicht mehr imstande, an seinem eigenen Text zu arbeiten. Die von Tschechow geschilderte wilde Küstenlandschaft hatte sich in seinem Kopf festgesetzt. Tengo konnte das Tosen der Wellen hören. Wenn er die Augen schloss, stand er allein am

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