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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Denn in einer Hinsicht sind wir uns ähnlich, du und ich. Auch du kannst, wenn es nötig ist, Regeln über dein eigenes Ich stellen.«
    »Vielleicht, weil ich eigentlich gar kein Ich habe.«
    Dazu äußerte Tamaru sich nicht.
    »Du warst also bei den Streitkräften?«, fragte Aomame.
    »Ja, in einer der berüchtigtsten Einheiten. In der sie dich Ratten, Schlangen und Heuschrecken fressen lassen. Man hat keine andere Wahl, aber schmecken tun sie nicht.«
    »Was hast du sonst noch gemacht?«
    »Alles Mögliche. Sicherheitsdienste, hauptsächlich Bodyguard. Oder sagen wir persönlicher Leibwächter, das trifft es vielleicht besser. Teamarbeit liegt mir nicht, also habe ich mich immer auf Alleingänge beschränkt. Vorübergehend war ich auch mal zu einem Abstecher in die Unterwelt gezwungen. Da habe ich eine Menge gesehen. Dinge, die ein normaler Mensch im seinem ganzen Leben nicht zu Gesicht bekommt. Aber in etwas richtig Schlimmes bin ich nie hineingeraten. Habe immer aufgepasst, dass ich nicht vom rechten Weg abkomme. Denn ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch und möchte nicht als Yakuza gelten. Mein Lebenslauf ist, wie gesagt, völlig clean. Am Ende bin ich hier gelandet.« Tamaru deutete mit dem Finger auf den Boden vor sich. »Seither führe ich ein ruhiges und gesichertes Leben. Mehr strebe ich nicht an, aber das, was ich hier habe, will ich auf keinen Fall verlieren. Denn eine Stelle zu finden, die mir gefällt, ist nicht leicht.«
    »Das glaube ich dir«, sagte Aomame. »Aber soll ich dir wirklich nichts bezahlen?«
    Tamaru schüttelte den Kopf. »Geld brauche ich nicht. Geben und Nehmen, das ist es, was die Welt am Laufen hält. Nicht Geld. Das Nehmen fällt mir schwer, also gebe ich, wenn es sich machen lässt.«
    »Danke«, sagte Aomame.
    »Solltest du zufällig von der Polizei nach der Herkunft der Waffe gefragt werden, möchte ich nicht, dass du meinen Namen nennst. Selbstverständlich würde ich alles abstreiten. Sie könnten es nicht einmal aus mir herausprügeln. Madame darf auf keinen Fall in irgendetwas hineingezogen werden, sonst verliere ich meinen Job.«
    »Natürlich würde ich deinen Namen niemals verraten.«
    Tamaru zog einen gefalteten Notizzettel aus der Tasche und reichte ihn Aomame. Der Name eines Mannes stand darauf.
    »Du hast die Pistole und sieben Schuss Munition am 4. Juli von diesem Mann in einem Café namens Renoir am Bahnhof Sendagaya bekommen und ihm fünfhunderttausend Yen in bar dafür bezahlt. Sollte dieser Mann von der Polizei zu diesem Umstand befragt werden, wird er alles zugeben. Und für ein paar Jahre ins Gefängnis wandern. Du brauchst gar nicht weiter ins Detail zu gehen. Solange die Herkunft der Waffe sich zurückverfolgen lässt, kann die Polizei ihr Gesicht wahren. Allerdings wirst du vermutlich ebenfalls eine Strafe wegen Verstoß gegen das Waffengesetz erhalten.«
    Aomame merkte sich den Namen auf dem Zettel und gab ihn Tamaru zurück. Er zerriss ihn in winzige Fetzen, die er in den Papierkorb warf.
    »Ich bin wie gesagt ein äußerst vorsichtiger Mensch. Es kommt sehr selten vor, dass ich jemandem vertraue, aber selbst dann verlasse ich mich nicht völlig auf ihn. Freien Lauf lasse ich den Dingen nie. Am liebsten wäre es mir, wenn die Pistole unbenutzt zu mir zurückkehrt. Und niemand in Schwierigkeiten kommt. Niemand getötet oder verletzt wird oder in den Knast wandert.«
    Aomame nickte. »Die Ausnahme von Tschechows literarischer Regel.«
    »Genau. Tschechow war ein ausgezeichneter Schriftsteller. Aber seine Perspektive ist natürlich nicht die einzige. Nicht jede Waffe, die in einer Geschichte vorkommt, muss auch abgefeuert werden«, sagte Tamaru. Er runzelte leicht die Stirn, als sei ihm plötzlich etwas eingefallen. »Ah, fast hätte ich etwas Wichtiges vergessen. Ich muss dir einen Pager geben.«
    Er nahm ein kleines Gerät aus der Schublade und legte es auf den Schreibtisch. Es hatte einen Metallclip, mit dem man es am Gürtel befestigen konnte. Tamaru hob den Telefonhörer ab und tippte eine dreistellige Kurzwahl ein. Nach dreimaligem Rufzeichen reagierte der Pager und gab ein paar elektronische Töne von sich. Nachdem Tamaru ihn auf höchste Lautstärke gestellt hatte, drückte er einen Knopf, und die Töne verstummten. Aufmerksam vergewisserte er sich, dass die Telefonnummer des Senders auf dem Display angezeigt wurde, und reichte Aomame das Gerät.
    »Trage ihn bitte möglichst immer am Körper«, sagte er. »Oder entferne dich zumindest nicht allzu weit

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