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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Zuerst ging er absichtlich auf einen anderen Bahnsteig und tat dann, als würde er plötzlich seine Meinung ändern, machte kehrt und rannte eine Treppe hinunter, entdeckte jedoch niemanden, der sich ähnlich verhielt. Anscheinend litt er jetzt unter Verfolgungswahn. Es war niemand hinter ihm her. So bedeutend war er nicht, und so viel Zeit hatten die bestimmt auch nicht. Er wusste ja selbst nicht, wohin er fahren und was er machen wollte. Eigentlich war er selbst es, der sich neugierig beobachtete. Was würde er als Nächstes tun?
    Die Bahn, mit der er fuhr, passierte Shinjuku, Yotsuya und Ochanomizu. Am Bahnhof Tokio, ihrer Endhaltestelle, stiegen alle Fahrgäste aus. Tengo natürlich auch. Zunächst setzte er sich auf eine Bank und überlegte noch einmal, was er tun sollte. Wohin konnte er fahren? Ich bin am Bahnhof Tokio, dachte er. Und habe den ganzen Tag nichts vor. Von hier aus kann ich fahren, wohin ich will. Es wird sicher ziemlich heiß heute. Ich könnte ans Meer fahren. Er hob den Kopf und schaute auf die Anzeigetafel.
    Und dann wusste er plötzlich, was er tun wollte .
    Er schüttelte mehrmals den Kopf, doch es half nichts, der Gedanke ließ sich nicht vertreiben. Als er am Bahnhof Koenji in die Chuo-Linie gestiegen war, hatte er sich unbewusst bereits entschieden. Seufzend erhob er sich von der Bank und ging die Treppe zum Bahnsteig der Sobu-Linie hinunter. Er erkundigte sich bei einem Bahnbeamten, wie man am schnellsten nach Chikura kam, und dieser blätterte im Fahrplan nach. Um halb zwölf gab es einen Sonderexpress in Richtung Tateyama, dort stieg man in einen normalen Zug um und kam gegen zwei in Chikura an. Tengo kaufte eine Hin- und Rückfahrkarte und eine Sitzreservierung für den Express. Anschließend ging er in ein Restaurant im Bahnhofsgebäude und bestellte sich Curryreis und einen Salat. Die restliche Zeit vertrieb er sich mit einem dünnen Kaffee.
    Der Gedanke, seinen Vater zu besuchen, bedrückte ihn. Sein Vater war ihm nie sympathisch gewesen, und er konnte sich umgekehrt auch nicht vorstellen, dass dieser besondere elterliche Zuneigung zu ihm hegte. Tengo wusste nicht einmal, ob sein Vater überhaupt Interesse daran hatte, ihn zu sehen. Nachdem Tengo sich schon im Grundschulalter strikt geweigert hatte, ihn bei seiner Arbeit – dem Kassieren von Rundfunkgebühren – zu begleiten, war die Atmosphäre zwischen ihnen mehr als kühl gewesen. Von da an war Tengo seinem Vater bewusst aus dem Weg gegangen, und sie hatten nur noch das Allernötigste miteinander geredet. Vor vier Jahren war sein Vater in den Ruhestand getreten und bald danach in ein Sanatorium für demenzkranke Menschen in Chikura gezogen. Tengo hatte ihn bisher nur zweimal dort besucht, einmal unmittelbar nach seinem Einzug, um als sein einziger Angehöriger einige Formalitäten zu erledigen, und auch beim zweiten Mal hatte eine praktische Angelegenheit seine Anwesenheit erfordert. Öfter war er nicht dort gewesen.
    Das Sanatorium lag auf einem weitläufigen Areal, das durch eine Straße von der Küste getrennt war. Eine Lebensversicherung hatte die ehemalige Sommerresidenz einer Industriellenfamilie aufgekauft, später war sie dann in ein Sanatorium für Demenzkranke umgewandelt worden. Die Anlage mit den alten verwitterten Holzbauten, zwischen die sich neue zweistöckige Gebäude aus Stahlbeton mischten, vermittelte von außen gesehen einen etwas widersprüchlichen Eindruck. Doch die Luft war sauber, und abgesehen vom Rauschen der Wellen war es immer ruhig. An Tagen, an denen der Wind nicht so stark war, konnte man einen Strandspaziergang machen. Zum Garten gehörte ein sehr hübsches Kiefernwäldchen, das als Windschutz diente. Außerdem bestand auch die Möglichkeit medizinischer Betreuung.
    Dank seiner Krankenversicherung, der Pensionskasse, seiner Ersparnisse und seiner Rente war es Tengos Vater vergönnt, den Rest seines Lebens ohne Einschränkungen dort zu verbringen. Und dank seiner Festanstellung bei NHK . Auch wenn er kein nennenswertes Vermögen hinterlassen würde, so war doch wenigstens seine Pflege gesichert. Dafür war Tengo sehr dankbar. Denn er hatte weder die Absicht, irgendetwas von diesem Mann anzunehmen, noch den Wunsch, ihm etwas zu geben, ob er nun sein leiblicher Vater war oder nicht. Sie waren Menschen mit gänzlich verschiedenen Ursprüngen und Zielen, die zufällig einige Jahre ihres Lebens miteinander verbracht hatten. Mehr nicht. Tengo fand es traurig, dass es so gekommen war, doch es gab

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