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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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im Dunkeln sehen. Aber da in dieser Nacht der Vollmond die Stadt bis in jeden Winkel erhellte, konnte der junge Mann von seinem Glockenturm aus alles genauestens beobachten. Als die Morgendämmerung kam, schlossen die Katzen die Geschäfte, beendeten ihre Einkäufe und Erledigungen und machten sich eine nach der anderen über die Brücke auf den Heimweg.
    Als bei Tagesanbruch alle Katzen verschwunden waren, stieg der junge Mann vom Glockenturm in die leere Stadt herunter, legte sich in ein Hotelbett und schlief sich gründlich aus. Seinen Hunger stillte er mit einem Fischgericht und Brot, von dem in der Hotelküche etwas übrig geblieben war. Sobald die Dunkelheit einsetzte, versteckte er sich abermals auf dem Glockenturm und beobachtete das Treiben der Katzen, bis der Morgen graute. Vormittags und nachmittags hielt jeweils ein Zug aus beiden Richtungen am Bahnhof. Mit dem Vormittagszug hätte er weiterfahren können, der Zug am Nachmittag hätte ihn dorthin zurückgebracht, wo er herkam. Bisher war an dem Bahnhof weder jemand aus- noch eingestiegen. Dennoch hielten die Züge getreulich an und fuhren erst nach einer Minute weiter. Er hätte also, wenn er gewollt hätte, in einen Zug steigen und die unheimliche Stadt der Katzen verlassen könnten. Aber er tat es nicht. Er war jung und voller Neugier. Ehrgeizig und abenteuerlustig. Er wollte das seltsame Spiel in der Katzenstadt zu gern noch einmal sehen. Wollte unbedingt erfahren, seit wann und wieso es diese Katzenstadt gab, wie sie funktionierte und was die Katzen eigentlich dort taten. Bestimmt hatte sie noch keiner vor ihm gesehen.
    In seiner dritten Nacht entstand plötzlich Unruhe auf dem Marktplatz unter dem Glockenturm. »Was ist denn das? Riecht es hier nicht nach Mensch?«, rief eine der Katzen. »Jetzt wo du es sagst, mir ist schon seit Tagen so ein komischer Geruch aufgefallen«, pflichtete eine andere ihr schnuppernd bei. »Mir auch«, bestätigte eine dritte. »Aber das ist doch unmöglich, hier kommen doch keine Menschen her«, sagte wieder eine andere. »Ja, stimmt, die können ja gar nicht in unsere Stadt.« »Trotzdem riecht es hier nach Mensch.«
    Nun fanden die Katzen sich zu mehreren Gruppen zusammen und durchsuchten beinahe wie eine Bürgerwehr die ganze Stadt bis in den letzten Winkel. Katzen haben, wenn es darauf ankommt, einen ausgezeichneten Geruchssinn. Es dauerte nicht lange, bis sie entdeckten, dass der verdächtige Geruch aus dem Glockenturm kam. Der junge Mann hörte, wie sie sacht auf leisen, weichen Pfoten die Treppe hinaufgehuscht kamen. Jetzt geht es mir an den Kragen, dachte er. Der Menschengeruch schien die Katzen zu reizen und in große Wut zu versetzen. Sie hatten große, scharfe Krallen und spitze weiße Zähne. Und sie wollten keine Menschen in ihrer Stadt. Was würden sie mit ihm machen, wenn sie ihn entdeckten? Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der das Geheimnis kannte, die Stadt unbehelligt verlassen durfte.
    Drei der Katzen kamen in den Glockenturm hinauf und schnupperten überall herum. »Komisch«, sagte eine, und ihre Schnurrbarthaare zitterten. »Der Geruch ist da, aber kein Mensch.«
    »Das ist allerdings merkwürdig«, sagte die zweite.
    »Jedenfalls ist hier niemand. Kommt, wir suchen woanders.«
    »Es ist unbegreiflich.« Sie schüttelten verwundert die Köpfe und machten sich davon. Der junge Mann hörte, wie die Katzen auf leisen Pfoten die Treppe hinuntersprangen und ihre Geräusche schließlich in der Dunkelheit verstummten. Er war furchtbar erleichtert, konnte sich aber nicht erklären, warum die Katzen ihn nicht gefunden hatten. Sie waren in der engen Turmkammer buchstäblich mit den Nasen auf ihn gestoßen. Eigentlich hätten sie ihn gar nicht übersehen können. Wie sonderbar. Auf alle Fälle wollte er, sobald es Morgen würde, zum Bahnhof gehen und mit dem Vormittagszug die Stadt verlassen. Zu bleiben wäre viel zu gefährlich gewesen. Solches Glück würde er nicht immer haben.
    Doch am nächsten Vormittag raste der Zug, statt zu halten, vor den Augen des jungen Mannes am Bahnhof vorbei, ohne seine Fahrt auch nur zu verlangsamen. Beim Nachmittagszug war es das Gleiche. Der junge Mann konnte ganz deutlich den Zugführer auf seinem Sitz und die Gesichter der Fahrgäste in den Fenstern erkennen. Doch der Zug machte keine Anstalten, stehenzubleiben. Niemand schien den Bahnhof und erst recht nicht den Wartenden wahrzunehmen. Als der letzte Anhänger des Nachmittagszugs außer Sichtweite war, senkte

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