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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sich damit allerdings nicht entledigt. Und das, was er getan hatte, nicht gerechtfertigt. Höchstens würden ihm daraus mildernde Umstände erwachsen. Oder aber er würde sich noch verdächtiger machen. Als würde er das Geld zurückgeben, weil er ein schlechtes Gewissen hatte.
    Er grübelte so sehr, dass er Kopfschmerzen bekam, und beschloss, sich keine Gedanken mehr wegen der eine Million sechshunderttausend zu machen. Er konnte später noch in Ruhe darüber nachdenken. Geld war nicht lebendig und lief nicht fort, selbst wenn man es eine Weile liegen ließ. Wahrscheinlich nicht.
    Die wichtigste Frage ist, wie ich mein Leben neu ausrichte, dachte Tengo, während er zu seiner Wohnung in den zweiten Stock hinaufstieg. Der Besuch in dem Sanatorium an der Südspitze der Boso-Halbinsel hatte ihn so gut wie überzeugt, dass der Mann dort wahrscheinlich nicht sein richtiger Vater war. Er war an einem neuen Ausgangspunkt angelangt, der ihm vielleicht genau die richtige Gelegenheit bot, alle Ärgernisse hinter sich zu lassen und ein neues Leben anzufangen. Ein neuer Arbeitsplatz, ein Ortswechsel, neue Beziehungen. Auch wenn er es sich noch nicht völlig zutraute, stieg in ihm doch die Ahnung von einem stimmigeren Leben auf.
    Allerdings musste er zuvor noch einiges in Ordnung bringen. Er konnte nicht plötzlich verschwinden und Fukaeri, Komatsu und Professor Ebisuno einfach zurücklassen, auch wenn er ihnen gegenüber natürlich keine moralische Verpflichtung oder Verantwortung hatte. Sie hatten ihm, wie Ushikawa sagte, nur Scherereien bereitet. Doch obwohl er von dem ganzen Komplott hinter Die Puppe aus Luft nichts gewusst hatte und beinahe unfreiwillig in die Sache hineingezogen worden war, hatte er faktisch doch die ganze Zeit mitgemacht. Er konnte nicht einfach sagen, ich weiß nicht weiter, seht zu, wo ihr bleibt. Er wollte unbedingt einen Schlussstrich ziehen und gereinigt von dannen gehen. Andernfalls wäre sein schönes nagelneues Leben, das fleckenlos sein sollte, von Anfang an beschmutzt.
    Bei »Schmutz« fiel ihm Ushikawa ein. Tengo seufzte. Der Mann besaß offenbar Informationen über seine Mutter, die er, wie er behauptet hatte, sogar an Tengo hätte weitergeben können.
    FALLS SIE ALSO ETWAS ÜBER IHRE FRAU MUTTER ERFAHREN MÖCHTEN, KANN ICH IHNEN AUSKUNFT GEBEN. SOWEIT ICH WEISS, SIND SIE AUFGEWACHSEN, OHNE SIE ZU KENNEN. ALLERDINGS SIND AUCH INFORMATIONEN DABEI, DIE NICHT GERADE ERFREULICH ZU NENNEN SIND .
    Tengo hatte ihm nicht einmal geantwortet, denn er verspürte nicht die geringste Neigung, ausgerechnet aus Ushikawas Mund etwas über seine Mutter zu erfahren. Alles, was aus dem Mund dieses Mannes kam, egal was es war, konnte nur Unrat sein. Nein, Tengo wollte von solchen Informationen nichts wissen. Erkenntnisse über seine Mutter durften ihn nicht in Form bruchstückhafter Hinweise erreichen, sondern mussten ihm als geschlossene »Offenbarung« zuteil werden. Umfassend und lebendig mussten sie sein, sozusagen ein Universum, das er sofort in seiner Gesamtheit zu überblicken vermochte.
    Natürlich konnte Tengo nicht wissen, ob ihm eine so dramatische Eröffnung eines Tages vergönnt sein würde. Vielleicht würde es niemals dazu kommen. Aber er benötigte ein Ereignis von gewaltigen Ausmaßen, das diesen lebendigen »Tagtraum«, der ihn seit Jahren stets aufs Neue verwirrte und emotional aus der Bahn warf, verdrängte und überdeckte. Nur so konnte es zu einer Reinigung kommen. Stückweise verkaufte Informationen nutzten ihm überhaupt nichts.
    Es war viel, was Tengo durch den Kopf ging, während er die Treppe in den zweiten Stock hinaufstieg.
    Vor seiner Wohnung angekommen, kramte er den Schlüssel hervor, steckte ihn ins Schlüsselloch und drehte ihn um. Er klopfte dreimal und nach einer kurzen Pause noch zweimal. Erst jetzt öffnete er leise die Tür.
    Fukaeri saß am Tisch und trank Tomatensaft aus einem hohen Glas. Sie trug noch die gleichen Sachen wie bei ihrer Ankunft: das gestreifte Männerhemd und die engen Blue Jeans. Dennoch wirkte sie völlig anders auf ihn als am Morgen, was daran lag – Tengo brauchte einen Moment, bis er es bemerkte –, dass sie ihre Haare zusammengebunden und aufgesteckt hatte. Daher lagen ihre Ohren und ihr Nacken nun ganz frei. Sie hatte zierliche rosafarbene Ohren, die aussahen, als seien sie gerade erst geformt und mit einer weichen Quaste gepudert worden. Sie schienen eher aus ästhetischen Motiven geschaffen zu sein, als dass sie der Aufnahme von Geräuschen

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