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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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hatte.
    »Aber in deinem Versteck hast du die ganze Zeit allein gegessen?«, fragte Tengo.
    Fukaeri nickte.
    »Wo ist denn dieses Versteck, in dem du dich die ganze Zeit aufgehalten hast?«, fragte Tengo.
    »Weit weg. Der Sensei hat es für mich besorgt.«
    »Und was hast du gegessen, als du allein warst?«
    »Fertiggerichte. Abgepacktes«, sagte Fukaeri. »Ein Essen wie dieses habe ich schon lange nicht mehr bekommen.«
    Fukaeri löste sich langsam einige Bissen Makrele von den Gräten, steckte sie in den Mund und kaute lange. Als würde sie eine seltene Spezialität essen. Schließlich kostete sie andächtig von der Misosuppe und kam zu irgendeinem Urteil. Danach legte sie die Stäbchen auf dem Tisch ab und hing ihren Gedanken nach.
    Gegen neun glaubte Tengo, fernes Donnergrollen zu hören. Als er den Vorhang ein wenig zurückschob und nach draußen blickte, zogen bedrohlich wirkende Wolken über den dunklen Himmel heran.
    »Du hattest recht. Es sieht nach Gewitter aus«, sagte Tengo und schloss den Vorhang.
    »Das ist, weil die Little People toben«, erklärte Fukaeri mit ernstem Gesicht.
    »Wenn die Little People toben, entstehen Unwetter?«
    »Je nachdem. Es ist eine Frage, wie das Wetter es aufnimmt.«
    »Wie das Wetter es aufnimmt?«
    Fukaeri schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht genau.«
    Auch Tengo war etwas ratlos. Er hatte das Wetter stets für eine unabhängige, objektive Gegebenheit gehalten. Aber wahrscheinlich würde es zu nichts führen, auch wenn er dieser Frage jetzt nachging. Also entschloss er sich, eine andere Frage zu stellen.
    »Sind die Little People zornig?«
    »Sie wollen, dass etwas passiert«, sagte Fukaeri.
    »Was denn?«
    »Wir werden es bald wissen.«
    Sie wuschen das Geschirr ab und räumten es nach dem Abtrocknen in den Schrank. Anschließend setzten sie sich an den Tisch und tranken grünen Tee. Tengo hätte sich gern ein Bier genehmigt, aber er entschied sich, heute lieber auf Alkohol zu verzichten. Es lag eine vage Atmosphäre von Gefahr in der Luft. Für den Fall, dass etwas geschah, sollte er seine Sinne möglichst beisammen haben.
    »Am besten, wir gehen früh schlafen«, sagte Fukaeri. Und legte beide Hände an die Wangen, wie die schreiende Person, die auf dem Bild von Edvard Munch auf der Brücke steht. Nur, dass sie nicht schrie. Sie war bloß müde.
    »Gut. Du kannst mein Bett nehmen. Ich schlafe auf dem Sofa, wie letztes Mal«, sagte Tengo. »Mach dir deshalb keine Gedanken. Ich kann überall schlafen.«
    Das stimmte. Tengo besaß tatsächlich die Fähigkeit, binnen kürzester Zeit überall einzuschlafen. Man konnte es fast eine Gabe nennen.
    Fukaeri nickte nur und sah Tengo eine Weile kommentarlos an. Dann berührte sie eines ihrer schönen, taufrischen Ohren. Wie um sich zu vergewissern, dass es noch richtig an seinem Platz saß. »Können Sie mir einen Schlafanzug leihen. Ich habe keinen dabei.«
    Tengo holte aus einer Schublade in der Schlafzimmerkommode einen Schlafanzug und reichte ihn Fukaeri. Es war derselbe, den er ihr beim letzten Mal gegeben hatte. Ein blauer Schlafanzug ohne Muster. Er hatte ihn damals gewaschen und zusammengelegt. Sicherheitshalber hielt er ihn an die Nase, roch aber nichts. Fukaeri nahm den Pyjama, ging ins Bad, um sich umzuziehen, und kehrte dann an den Tisch zurück. Sie trug ihre Haare jetzt wieder offen. Wie damals hatte sie die Ärmel und Hosenbeine aufgekrempelt.
    »Es ist noch vor neun«, sagte Tengo mit einem Blick auf die Wanduhr. »Gehst du immer so früh ins Bett?«
    Fukaeri schüttelte den Kopf. »Heute ist eine Ausnahme.«
    »Weil draußen die Little People toben?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin eben schon müde.«
    »Du siehst wirklich müde aus«, gab Tengo zu.
    »Können Sie sich mit mir unterhalten oder mir vorlesen, wenn ich im Bett bin«, fragte Fukaeri.
    »Gut«, sagte Tengo. »Ich habe sowieso nichts vor.«
    Es war ein schwüler Abend, aber als Fukaeri im Bett war, zog sie sich die Decke bis zum Hals, als wolle sie die äußere Welt streng von ihrer eigenen getrennt halten. Aus irgendeinem Grund sah sie im Bett wie ein kleines Mädchen aus. Nicht älter als zwölf. Der Donner draußen wurde immer lauter. Offenbar war das Gewitter jetzt in unmittelbarer Nähe. Bei jedem Schlag erzitterten klirrend die Scheiben. Doch seltsamerweise blitzte es nicht. Nur Donnerschläge krachten vom pechschwarzen Himmel. Es sah auch nicht so aus, als würde es bald anfangen zu regnen. Offenbar herrschte hier ein Ungleichgewicht.
    »Sie sehen

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