1Q84: Buch 1&2
wirklich daranmachte, sollte ihm bald klar werden, dass diese Aufgabe viel schwieriger war, als er erwartet hatte.
Er ließ Fukaeri in seiner Wohnung zurück (»Wenn jemand kommt, machst du auf keinen Fall auf«, schärfte er ihr mehrmals ein) und machte sich auf den Weg zum Fernamt, wo man sämtliche Telefonbücher Japans einsehen konnte. Zunächst nahm er sich die Verzeichnisse aller dreiundzwanzig Stadtbezirke Tokios vor und schaute unter Aomame nach. Auch wenn sie selbst nicht mehr hier wohnte, gab es vielleicht irgendwo Verwandte, bei denen er sich nach ihr erkundigen konnte.
Aber in keinem der Telefonbücher fand er den Namen Aomame. Er dehnte seine Suche auf den Großraum Tokio aus, doch auch da entdeckte er nicht eine Person dieses Namens. Schließlich bezog er das ganze ostjapanische Kanto-Gebiet in seine Nachforschungen ein. Die Präfekturen Chiba, Kanagawa, Saitama … Danach war er mit seiner Kraft und seiner Zeit am Ende. Vom Starren auf die winzigen Zeichen in den Telefonbüchern taten ihm die Augen weh.
Mehrere Möglichkeiten kamen ihm in den Sinn.
1. Aomame lebte in einem Vorort der Stadt Utashinai auf Hokkaido.
2. Sie hatte geheiratet und ihren Nachnamen in »Ito« geändert.
3. Sie hatte sich nicht ins Telefonbuch eintragen lassen, um ihre Privatsphäre zu schützen.
4. Sie war im Frühling vor zwei Jahren an einer tödlichen Grippe gestorben.
Daneben musste es noch zahllose andere Möglichkeiten geben. Es war sinnlos, sich nur auf die Telefonbücher zu verlassen. Er konnte schließlich nicht alle Verzeichnisse Japans durchsuchen. Bis er bei Hokkaido ankam, würde bestimmt ein Monat vergehen. Er musste einen anderen Weg finden.
Tengo kaufte sich eine Telefonkarte und ging in eine der Kabinen im Fernamt. Von dort rief er in seiner ehemaligen Grundschule in Shinagawa an und ließ eine Angestellte unter dem Vorwand, ein Klassentreffen organisieren zu wollen, im Schulregister nach Aomames Adresse suchen. Die freundliche, offenbar nicht sehr beschäftigte Dame blätterte die Liste der ehemaligen Schüler durch. Da Aomame in der fünften Klasse vorzeitig die Schule gewechselt habe, sei ihr Name nicht ins Schulregister eingetragen und auch ihre gegenwärtige Adresse nicht bekannt. Aber natürlich könne sie die damalige Umzugsadresse nachschauen. Ob ihm damit geholfen sei?
Tengo bejahte und notierte sich Adresse und Telefonnummer. Sie war damals in den Tokioter Stadtbezirk Adachi zur Familie eines gewissen Koji Tazaki gezogen. Offenbar hatte Aomame damals aus irgendeinem Grund ihr Elternhaus verlassen. Es musste etwas vorgefallen sein. Wenig hoffnungsvoll wählte Tengo die Nummer. Wie erwartet, war sie nicht mehr in Gebrauch. Immerhin war sie zwanzig Jahre alt. Als er sich bei der Auskunft nach Koji Tazaki erkundigte, sagte man ihm, der Name sei nicht registriert.
Anschließend versuchte Tengo die Zentrale der Zeugen Jehovas ausfindig zu machen. Aber alles Suchen half nicht, weder unter »Zeugen« noch unter »Vor der Sintflut« oder ähnlichen Bezeichnungen war eine Kontaktadresse eingetragen. Selbst im Branchenverzeichnis unter »Religionsgemeinschaften« wurde er nicht fündig. Nach längeren erfolglosen Bemühungen gelangte Tengo zu dem Schluss, dass die Leute vielleicht keinen Wert auf Kontakte legten.
Das war ziemlich sonderbar, wenn man es sich recht überlegte. Die Zeugen Jehovas überfielen einen zu jeder möglichen und unmöglichen Zeit. Ob man gerade ein Soufflé im Ofen hatte, dabei war, etwas zu löten, sich die Haare zu waschen, Mäuse zu dressieren oder über quadratische Funktionen nachzudenken, sie klingelten oder klopften dessen ungeachtet und sagten ganz fröhlich: »Lassen Sie uns gemeinsam die Heilige Schrift lesen.« Aber umgekehrt schien ihnen nichts daran zu liegen, dass jemand sie aufsuchte. Anscheinend konnte man sie nicht einfach von sich aus besuchen (solange man kein Mitglied war). Nicht einmal eine einfache Frage stellen konnte man. Wenn das nicht umständlich war!
Doch selbst wenn er die Telefonnummer herausgefunden und angerufen hätte, war es bei diesem Argwohn kaum denkbar, dass die Zeugen Jehovas seinem Anliegen entsprochen und bereitwillig Informationen über einzelne Mitglieder preisgegeben hätten. Aus ihrer Sicht hatten sie sicher gute Gründe, auf der Hut zu sein. Wegen ihrer sonderbaren und extremen Lehren und der Engstirnigkeit ihres Glaubens waren sie vielen Menschen zuwider. Sie verursachten einige gesellschaftliche Probleme und wurden beinahe
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