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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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umgehen.«
    »Außerdem ist dieser Dreckskerl aus der Welt verschwunden und kann sich nicht irgendwo ein neues Opfer suchen.«
    »Eine glückliche Fügung«, sagte Tamaru. »Dank eines Herzanfalls löst sich alles in Wohlgefallen auf. Ende gut, alles gut.«
    »Falls es so etwas wie ein Ende gibt«, sagte Aomame.
    Ein angedeutetes Lächeln rief kleine Falten in Tamarus Mundwinkeln hervor. »Irgendwo gibt es ganz bestimmt ein Ende. Nur dass nicht ausdrücklich dransteht: ›Hier ist das Ende‹. An der obersten Sprosse einer Leiter steht ja auch nicht: ›Hier ist die letzte Sprosse. Bitte gehen Sie nicht weiter‹, oder?«
    Aomame schüttelte den Kopf.
    »Das ist das Gleiche«, sagte Tamaru.
    »Man muss nur über etwas gesunden Menschenverstand verfügen und die Augen offen halten, dann sieht man das Ende schon«, sagte Aomame.
    Tamaru nickte. »Auch wenn man es nicht merkt …« Er machte eine fallende Geste mit dem Finger. »Das Ende kommt.«
    Die beiden schwiegen eine Weile und lauschten dem Gezwitscher der Vögel. Es war ein heiterer Aprilnachmittag. Nirgends ein Anzeichen von böser Absicht oder Gewalt.
    »Wie viele Frauen halten sich im Moment hier auf?«, erkundigte sich Aomame.
    »Vier«, erwiderte Tamaru prompt.
    »Alle in ungefähr der gleichen Lage?«
    »In einer ähnlichen«, sagte Tamaru. Sein Mund wurde schmal. »Aber die anderen drei Fälle sind nicht so ernst. Die Männer sind die üblichen Feiglinge, aber keiner so bösartig, dass es ein Thema wäre. Nichts als aufgeblasene Schwächlinge. Dafür müssen wir dich nicht bemühen. Mit denen werde ich fertig.«
    »Auf legale Weise.«
    » Im Großen und Ganzen legal. Auch wenn man vielleicht ein bisschen nachhelfen muss. Selbstverständlich ist ein Herzanfall auch eine ganz legale Todesursache.«
    »Selbstverständlich«, bekräftigte Aomame.
    Schweigend, die Hände auf die Knie gelegt, betrachtete Tamaru eine Weile die reglos hängenden Weidenzweige.
    Nachdem sie kurz gezögert hatte, schnitt Aomame ein anderes Thema an. »Tamaru, es gibt etwas, das ich dich gern fragen würde.«
    »Was denn?«
    »Wie viele Jahre ist es her, seit die Polizei ihre Uniformen und Waffen erneuert hat?«
    Tamaru runzelte leicht die Stirn. In ihrem Ton schwang etwas mit, das seinen Argwohn erregte. »Warum willst du das plötzlich wissen?«
    »Aus keinem besonderen Grund. Ist mir bloß kürzlich eingefallen.«
    Tamaru sah ihr in die Augen. Sein Blick war immer neutral, aber nun hatte er gar keinen Ausdruck. Er hätte alles Mögliche bedeuten können.
    »Mitte Oktober 1981 kam es in der Nähe des Motosu-Sees zu einer heftigen Schießerei zwischen der Polizei der Präfektur Yamanashi und Extremisten. Im Jahr darauf – also vor zwei Jahren – wurden bei der Polizei größere Veränderungen vorgenommen.«
    Aomame nickte, ohne eine Miene zu verziehen. An diesen Vorfall konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, aber das sagte sie Tamaru nicht.
    »Es gab ein Blutbad. Altmodische Trommelrevolver mit sechs Kammern gegen fünf Kalaschnikows. Keine Chance. Drei der armen Polizisten wurden bei dieser Aktion zerfetzt. Eine Sondereinheit der Selbstverteidigungsstreitkräfte wurde per Hubschrauber eingeflogen. Die Ehre der Polizei war dahin. Kurz darauf beschloss Präsident Nakasone, sich ernsthaft an eine Verstärkung der polizeilichen Einsatzkräfte zu machen. Es wurden umfassende organisatorische Veränderungen vorgenommen. Eine bewaffnete Sondereinheit wurde gegründet, und auch die gewöhnliche Streifenpolizei wurde mit leistungsstarken automatischen Dienstpistolen ausgerüstet. Mit 92er Berettas. Hast du schon mal mit einer geschossen?«
    Aomame schüttelte den Kopf. Natürlich nicht! Sie hatte noch nicht einmal mit einem Luftgewehr geschossen.
    »Aber ich«, sagte Tamaru. »Halbautomatisch, mit einer Kapazität von fünfzehn 9-mm-Parabellum-Patronen. Eine berüchtigte Waffe, die amerikanische Armee verwendet sie. Sie ist nicht billig, wird aber nicht so teuer gehandelt wie Glocks oder SIGs. Allerdings ist sie für einen Laien nicht leicht zu handhaben. Die Revolver wogen nur vierhundertneunzig Gramm, aber die Beretta wiegt ungefähr achthundertfünfzig Gramm. So ein Ding einem ungeübten japanischen Polizisten zu geben hat eigentlich keinen Zweck. Schießt man im Gedränge damit, werden unweigerlich Passanten verletzt.«
    »Wo hast du denn damit geschossen?«
    »Ach, schon mehrmals. Als ich einmal an einer Quelle saß und Harfe spielte, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts eine Fee

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